Asyl im letzten Moment

Venezuela gehört zu den Herkunftsländern mit den meisten Flüchtlingen weltweit. Nachdem 2017 das Parlament entmachtet wurde, gilt das Land als Militärdiktatur. 2017 hat auch Álvárez* das Land verlassen. Der damals 32-jährige Polizist musste fliehen. Die Repressionen der autoritären Regierung und Todesdrohungen von kriminellen Clans gegen ihn aufgrund seines Berufs als Polizist ließen ihm keine Wahl. Jana Jergl, Rechtsberaterin beim JRS, traf ihn im März zum ersten Mal in ihrer Sprechstunde in der Abschiebungshaftanstalt Eichstätt.

Álvárez spricht nur spanisch und war daher sehr froh, dass ich mich mit ihm in seiner Muttersprache verständigen kann. Er erzählte mir, dass er nach seiner Flucht aus Venezuela lange Zeit in anderen Ländern Südamerikas lebte, doch auch hier habe er sich nicht sicher gefühlt. Staatliche Hilfe für Geflüchtete gibt es dort kaum. Er sei nach Europa gekommen, war zuerst in Spanien und wurde schließlich an der deutschen Bundesgrenze von der Polizei aufgegriffen. Dort habe ihm die Polizei gesagt, er könne keinen Asylantrag in Deutschland stellen. Daran hat sich der pflichtbewusste Polizist Álvárez gehalten. Ich ging von einer Überstellung im Rahmen der Dublin-Verordnung nach Spanien aus, denn der vorliegende Haftbeschluss beinhaltete wenige Informationen und gab kein Abschiebungsziel an. Trotzdem bat ich ihn darum, bei einer Verlängerung der Haft den neuen Beschluss vom Gericht für mich zur Prüfung zu kopieren. Als ich diesen am Freitag abholte, stellte ich schockiert fest, dass eine Abschiebung für Dienstag um 07 Uhr nach Venezuela geplant war – in die Militärdiktatur, aus der er wegen akuter Gefährdung geflohen war.

Sonntag war der nächstmögliche Besuchstermin in der Haftanstalt. Ich erklärte Álvárez die Notwendigkeit eines Asylantrags und versuchte, diesen direkt am Sonntag mit ihm in der Haft zu stellen. Da die Beamten den Antrag aber nicht entgegennahmen, musste es auf Montag vertagt werden. Ich rief die Sozialarbeiterin an, der Betroffene stellte den Antrag, die Abschiebung wurde abgesagt.

10 Tage später wurde er aus der Haft entlassen, er befindet sich seitdem in Nürnberg im Asylverfahren. Er bemüht sich um eine schnelle Arbeitserlaubnis, da er seine zurückgebliebene Familie finanziell unterstützen will. Ob er einen dauerhaften Aufenthalt in Deutschland erhält, wird das BAMF (Bundesamt für Migration und Flüchtlinge) prüfen. Dieses Jahr wurden bisher 1.365 Asylanträge von VenezuelanerInnen gestellt (Stand: 30.04.2023), etwa 27% wurden direkt positiv beschieden.

Welche Hoffnungen er für sein weiteres Leben hier in Deutschland hat? Er möchte endlich wieder nach vorne blicken können, seiner Familie ein besseres Leben und vor allem eine sichere Zukunft ermöglichen. Seine kleine Tochter ist krank und er will ihr so schnell wie möglich helfen, finanziell und am liebsten mit einer Reise zu ihm - nach Deutschland in Sicherheit.

Die Chancen für ihn stehen gut: Er wurde direkt zum Deutschkurs zugelassen, den er nun Mitte Juni beginnt. Wir begleiten ihn weiterhin auf seinem Weg, hier bei uns in Nürnberg.

*Name geändert

Jana Jergl / JRS

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