Abschiebungshaft dient ausschließlich dem Zweck, die Abschiebung der betreffenden Person zu sichern. Sie ist damit keine Straf-, sondern Verwaltungshaft. Abschiebungshaft wird vor allem als Sicherungshaft mit einer Haftdauer von i.d.R. bis zu 3 Monaten, höchstens 18 Monaten, vollzogen.
Die Haft wird durch die zuständige (Ausländer- oder Polizei-)Behörde beim Amtsgericht beantragt und setzt einen Gerichtsbeschluss voraus. Gegen eine solche Anordnung bestehen Rechtsmittelmöglichkeiten.
Abschiebungshaft darf ausschließlich als „Ultima Ratio“ eingesetzt und nur für die kürzest mögliche Dauer verhängt werden (Beschleunigungsgebot). Zugleich ist anerkannt, dass der Vollzug der Abschiebungshaft nicht dem einer Strafhaft gleichen darf, sondern soweit wie irgend möglich dem „normalen Leben“ entsprechen muss. Deshalb wird die Haft i. d. R. in gesonderten Anstalten und nicht in Strafgefängnissen vollstreckt.
Abschiebungshaft löst Leid aus. Menschen in der Abschiebungshaft wissen oft noch nicht einmal, weshalb sie in Gewahrsam genommen worden sind, obwohl sie keine Straftat verübt haben. Je länger sie in Gewahrsam sind, umso größer wird der seelische und körperliche Schaden.
Zugleich sind in einzelnen Fällen immer wieder schwerwiegende Verfahrensfehler, falsche Entscheidungen und ähnliche Probleme festzustellen. Das hat auch damit zu tun, dass es im Abschiebungshaftverfahren lange keine Beiordnung eines Pflichtanwaltes gab. Seit 27. Februar 2024 ist diese Gesetzeslücke endlich geschlossen. Es bleibt abzuwarten, wie Anwälte und Anwältinnen, die nun von den Gerichten beigeordnet werden, in diesem speziellen Rechtsgebiet zurechtkommen.
IIn Deutschland gibt es 18 Einrichtungen, in denen Abschiebungshaft vollstreckt wird; zwei weitere sind geplant oder im Bau. Eine Übersicht über die Hafteinrichtungen finden Sie hier. Bei grundsätzichen Fragen zur Abschiebungshaft wenden Sie sich bitte an Stefan Keßler
Abschiebungshaft ist nicht zwingend geboten. Keine internationale Norm zwingt einen Staat, abzuschiebende Personen in Haft zu nehmen. Deshalb wird verstärkt gefordert, vorrangig Alternativen zur Abschiebungshaft zu entwickeln und anzuwenden.
Auf Grundlage von § 62a Absatz 4 AufenthG, der für Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen von Hilfsorganisationen den Zugang in Abschiebungshaftanstalten regelt, bietet der JRS in den Einrichtungen Eichstätt und Hof rechtliche Beratung an. In Hof geschieht dies in Zusammenarbeit mit dem Verein Hilfe für Menschen in Abschiebehaft Hof.
In den Beratungsgesprächen geht es einerseits darum, den Betroffenen anhand der vorliegenden Behördenschreiben, wie Asylbescheiden, Haftanträgen und Beschlüssen, ihre Situation zu erläutern. Anderseits hören wir ihnen zu und diskutieren mit ihnen mögliche rechtliche Schritte. Wenn wir Erfolgsaussichten sehen bzw. formale oder inhaltliche Mängel in Haftanordnungen oder Asylentscheidungen erkennen und die Betroffenen nicht kompetent oder noch nicht anwaltlich vertreten sind, übernimmt der JRS die Vermittlung und Finanzierung anwaltlicher Hilfe.
In Einzelfällen arbeitet der JRS auch mit Pro Asyl, dem Bayerischen Flüchtlingsrat, dem Katholischen Büro Bayern und der entsprechenden Stelle in der Evangelischen Landeskirche zusammen, um eine Abschiebung ggf. durch politische Intervention zu verhindern.
Ein Musterverfahren wegen rechtswidrig erlittener Abschiebungshaft und damit verbundener Schadensersatzforderungen betrieb der JRS zusammen mit zwei Anwältinnen bereits seit 2016. Nachdem alle Instanzen erfolglos durchlaufen wurden, hatten die Anwältinnen im Juni 2019 Verfassungsbeschwerde erhoben. Diese wurde mit Beschluss vom Oktober 2023 nicht zur Entscheidung angenommen. Wir werden weiterhin Fälle, in denen mögliche Schadensersatzansprüche bestehen, prüfen und ggf. erneut vor Gericht tragen.
Der JRS arbeitet seit 1995 für Abschiebungsgefangene – in Berlin-Köpenick und Eisenhüttenstadt bis zur Schließung der dortigen Einrichtungen; in Bayern zuerst in München-Stadelheim, dann in Mühldorf, schließlich in Eichstätt, Erding und Hof. Nachfolgend ein Rückblick.
Die Abschiebungshaft in Deutschland hat schon einige Entwicklungen durchlaufen, sowohl in quantitativer als auch in qualitativer Hinsicht. In den späten 1990er Jahren wurden bundesweit noch 20.000 bis 25.000 Personen jährlich zur Sicherung ihrer Abschiebung in Haft genommen; eine Unterbringung in speziellen Haftanstalten mit entsprechend gelockerten Vollzugsbedingungen wurde nur in einigen wenigen Bundesländern (z.B. in Berlin und Brandenburg) praktiziert. Immerhin gingen die Zahlen stetig zurück. In den Jahren 2005, 2006 und 2007 waren es noch jeweils 9.000 bis 10.000 Betroffene. Die Haftbedingungen blieben jedoch weiterhin restriktiv in denjenigen Bundesländern (wie z.B. Bayern), in denen Ausreisepflichtige in normalen Justizvollzugs-anstalten (JVAen), also zusammen mit Untersuchungs- und Strafgefangenen, untergebracht wurden.
Eine Zäsur - sowohl hinsichtlich der Zahlen wie auch der Haftbedingungen – markierte der Sommer 2014. Mit Beschluss vom 26. Juni 2014 stellte der Bundesgerichtshof vor dem Hintergrund der Dublin-III-Verordnung fest, dass die Annahme von Fluchtgefahr ihre Grundlage in objektiven gesetzlich festgelegten Kriterien haben muss, also die General-klausel des „begründete Verdachtes“ nicht (mehr) für eine Inhaftierung ausreicht. Und mit Urteil vom 17. Juli 2014 beendete der Europäische Gerichtshof (EuGH) die seit Inkrafttreten der EU-Rückführungsrichtlinie im Dezember 2010 europarechtswidrige deutsche Praxis der Unterbringung von Abschiebungsgefangenen in normalen JVAen. An den Musterverfahren in Luxemburg war der JRS mit einem Fall beteiligt.
Diese beiden Entscheidungen sorgten für einen rapiden Rückgang von Inhaftierungen: zum einen, weil im Aufenthaltsgesetz die Fluchtgefahr nicht ausreichend konkretisiert war, zum anderen, weil einige Bundesländer (noch) nicht über spezielle Hafteinrichtungen verfügten. Die Zahl der Abschiebungsgefangenen sank 2014 vermutlich unter 1.000 bundesweit. Doch schon in 2015 stieg sie wieder auf rund 1.800 an; mittlerweile werden nach Schätzungen jährlich 4.000-5.000 Menschen in Abschiebungshaft genommen, Tendenz steigend.
Die Unterbringung von Abschiebungsgefangenen zusammen mit Straf- und Untersuchungsgefangenen hatte der JRS schon seit Inkrafttreten der Rückführungs-richtlinie kritisiert. In Bayern startete er im Herbst 2013, als die Betroffenen noch in der JVA München-Stadelheim inhaftiert waren, mit Blick auf die anstehende EuGH-Entscheidung in enger Zusammenarbeit mit vier AnwältInnen eine Serie von Haftbeschwerden. Im Laufe von zwei Monaten setzten bayerische Amts- und Landgerichte wegen der zu klärenden Rechtsfrage in mehr als 50 Fällen die Haft aus. Das bayerische Innenministerium sah sich daher gezwungen, schnell Abhilfe zu schaffen. Ende November 2013 wurde die JVA Mühldorf nach Verlegung der Strafgefangen und nach einigen Umbauarbeiten als erste bayerische Abschiebungshaftanstalt in Betrieb genommen. 2017 wurde sie durch die JVA Eichstätt mit 96 Haftplätzen ersetzt, im Frühjahr 2018 kam die JVA Erding hinzu (24 Plätze) und im selben Jahr im Herbst eine aus Containern bestehende Hafteinrichtung am Münchner Flughafen (20 Plätze). Im Oktober 2021 schließlich wurde in der JVA Hof eine neugeschaffene Abschiebungshaftanstalt mit 150 Plätzen in Betrieb genommen.
Nachdem im Sommer 2023 das bayerische Justizministerium entschieden hat, dass die Einrichtung in Erding wieder für Untersuchungs-und Strafhaft genutzt wird, bleiben in Bayern noch 266 Plätze für den Vollzug von Abschiebungshaft - das ist nicht ganz ein Drittel aller bundesweiten Abschiebungshaftplätze.
Die Sammlung von kleinen Geschichten informiert über die Realität von Abschiebungshaft und Obdachlosigkeit in einem leicht zu lesenden Format.
Factsheet: Unlawfully Imprisoned
Factsheet: Increased Isolation
Factsheet: Disconnected from the Outside WorldFactsheet
Factsheet: Increased Anxiety and Uncertainties
Factsheet: Released Onto the Streets
Der JRS Europe präsentiert die Ergebnisse und Lehren aus einer Bestandsaufnahme der Auswirkungen von Covid-19 auf die Abschiebungshaft in sieben EU-Ländern (Belgien, Deutschland, Italien, Malta, Rumänien, Portugal, Spanien). Der Bericht kritisiert schlechte Praktiken, hebt einige positive Entscheidungen auf nationaler Ebene hervor und gibt Empfehlungen an nationale Behörden und die EU-Institutionen, was während und nach der Pandemie zu tun ist.