Gemeinsam für ein integrales Modell der Begleitung von Flüchtlingen

Die 23 Länderbüros des Jesuiten-Flüchtlingsdienstes (JRS) und das JRS-Regionalbüro für Europa haben sich auf einer gemeinsamen Konferenz in Lissabon auf ein Modell der integralen Begleitung von Flüchtlingen auf ihren Lebenswegen verständigt, das sich durch einen ganzheitlichen, multidirektionalen und dynamischen Ansatz zur Integration auszeichnet. Dieses Modell ist Grundlage dafür, um täglich hunderttausende gewaltsam vertriebene Menschen in Europa zu betreuen und zu begleiten.

Unser Ziel ist es, dieses Modell kontinuierlich zu verbessern und dadurch sicherzustellen, dass wir die bestmöglichen Hilfestellungen anbieten.  Im Bewusstsein dieses Auftrags und nach einer gemeinsamen Reflexion betonen wir die vier Hauptziele für unsere Organisation im kommenden Jahr:

- JRS soll Raum für Integration schaffen, in dem wir Eigenverantwortung und Teilhabe durch Befähigung und Bildung, insbesondere für Jugendliche, fördern.

- JRS soll ein Ort des Willkommens sein, in dem wir von Gastfreundschaft geprägte Gemeinschaften und andere Modelle fördern, die langfristig für Flüchtlinge ein Wohnen in Sicherheit, Schutz und Würde sicherstellen.

- JRS soll als Ort des Schutzes erlebt werden, wo wir jeden Migranten, insbesondere die besonders schutzbedürftigen unter ihnen, in persönlichem Kontakt ein Stück auf ihren Lebenswegen begleiten, um sie ganzheitlich zu unterstützen.

- JRS soll als zuverlässiger Partner in Erscheinung treten, der mit gesicherter Finanzierung und soliden institutionellen Kapazitäten, professionell arbeitenden Teams und starken Partnerschaften noch bessere und umfassendere Hilfestellungen anbietet.

Wir sind zuversichtlich, dass wir mit Fortschritten beim Erreichen dieser vier Ziele Flüchtlinge und andere Vertriebene in ganz Europa besser unterstützen, begleiten und für sie eintreten können.

JRS Europa und die 23 JRS-Länderbüros werden weiterhin auf ein Europa hinarbeiten, in dem Menschenrechte, Schutz, Gastfreundschaft, Integration und Versöhnung im Rahmen einer größeren Vision für integrative und aufnahmebereite Gesellschaften gedeihen können.

Unterzeichner: Das JRS-Europa-Netzwerk besteht aus dem JRS Österreich, dem JRS Belgien, dem JRS Frankreich, dem JRS Deutschland, dem JRS Griechenland, dem JRS Ungarn, dem JRS Irland, dem Centro Astalli (Italien), dem JRS Luxemburg, dem JRS Malta, dem JRS Polen, dem JRS Portugal, dem JRS Rumänien, dem JRS Slowenien, dem JRS Südosteuropa (Bosnien und Herzegowina, Kroatien, Kosovo, Mazedonien, Serbien), dem SJM España (Spanien), dem JRS Schweiz, dem JRS Vereinigtes Königreich, dem JRS Ukraine und dem Regionalbüro in Brüssel.

Unsere Vorgehensweise

Zu unserer jesuitischen Identität gehört eine spezifische Vorgehensweise, die unser Engagement inspiriert und ihm eine entsprechende Form verleiht. Es handelt sich dabei um ein Bündel bestimmter Überzeugungen, Haltungen und Verhaltensmuster.

Überschreitung des Status quo: „Magis“

Als Teil der Sendung des weltweiten JRS-Netzwerkes sind wir nie zufrieden mit dem Status quo, dem Bekanntem, dem angeblich „Bewährten“ und schon Vorhandenen. Ständig sehen wir uns dazu aufgerufen, zugunsten der Flüchtlinge Neues zu entdecken, Besseres zu definieren und uns nach Größerem auszustrecken. Für uns sind vorgegebene Grenzen und Schranken Herausforderungen, die es anzugehen, und neue Chancen, die es zu wahrzunehmen und willkommen zu heißen gilt. Unsere Weise des Vorangehens ist eine beständige Suche nach dem – wie es in der Jesuiten-Terminologie heißt - Magis, nämlich dem je größeren und nachhaltigeren Dienst an den Flüchtlingen.

Förderung einer Willkommenskultur

Als JRS sind wir, ausgehend von unseren Grundwerten - insbesondere der Solidarität, der Gastfreundschaft und des Einsatzes für Gerechtigkeit - bestrebt, eine Kultur des Willkommens in Deutschland und Europa zu fördern. Wir fördern Begegnungen zwischen Einheimischen und Geflüchteten und schaffen Möglichkeiten gegenseitiger Unterstützung, des Austausches und zur Stiftung neuer Freundschaften. Wir bemühen uns sicherzustellen, dass diese Beziehungen auf Gegenseitigkeit und Respekt beruhen. JRS engagiert sich auch in Projekten, Forschungen und öffentlichen Kampagnen für die Rechte von Geflüchteten, um den zerstörerischen gesellschaftlichen Auswirkungen von Rassismus und Fremdenfeindlichkeit entgegenzuwirken.

Förderung von Versöhnung

„Versöhnung“ verstehen wir als Bemühung, Brücken zu bauen und dabei nicht im Sinne einer Harmonisierung blind zu sein für die Anforderungen der Gerechtigkeit. Versöhnung beinhaltet das Anliegen, Verständnis zwischen verschiedenen sozialen Gruppen zu wecken, besonders dort, wo Spannungen und Missverständnisse vorherrschen, und einen Austausch zwischen den Gruppen zu fördern Wir verfolgen diese Ziele sowohl in den zunehmend polarisierten europäischen Gesellschaften als auch in unserer unmittelbaren Arbeit und in unserem Leben: in unseren persönlichen Beziehungen, in unserer Beziehung zu Gott und zur natürlichen Umwelt. Wir erkennen an, dass Flucht und Migration kein bloß aktuelles, gegenwärtiges Phänomen darstellt, sondern eine sehr lange Geschichte aufweist und somit als historische Konstante zu begreifen ist. Wir werben für einen gerechten und vernünftigen Umgang mit Flucht und Migrationund wenden uns gegen Versuche der Abschottung und Abwehr, die der europäischen Idee eines Raumes der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts widersprechen.  Wir sehen, dass Zuwanderung sowohl die Aufnahmegesellschaft als auch die Flüchtlinge und Migrant*innen selbst verändert. In Anbetracht der unvermeidlich damit gegebenen Herausforderungen bekräftigt der JRS die Bedeutung des interreligiösen und interkulturellen Dialogs auf allen Ebenen.

Spirituelle Dimension

In der Begegnung mit gewaltsam vertriebenen Menschen stoßen wir auf tiefes Leid. In der Wahrnehmung und im Umgang damit sind uns immer zwei Aspekte als absolut gültige Bezugspunkte wichtig: Die Würde der Person und ihre „spirituelle Dimension“. Die Würde der Person kommt dann voll zur Geltung, wenn alle ihre Rechte anerkannt werden und sie alle ihre Fähigkeiten nutzen kann, ein Selbstwertgefühl - ungeachtet oder gar trotz der jeweils herrschenden Umstände - zu entwickeln. Die "spirituelle Dimension" einer Person besteht in der Fähigkeit, sich der Transzendenz zu öffnen. Diese Offenheit mag sich in einem explizit religiösen Bekenntnis ausdrücken. Oder in einem tiefen Sinn für die Beziehung zum Transzendenten. Oder in der tätigen Nächstenliebe, die aus christlicher Sicht bereits eine spirituelle Dimension aufweist. JRS weiß um die Fähigkeit des Glaubens, in seinen vielen Ausdrucksformen Menschen Halt zu geben.

Professionalität

JRS setzt in seiner gesamten Organisation auf Professionalität und hohe ethische Standards. Als Netzwerk arbeiten wir gezielt daran, unsere Kompetenzen und Fähigkeiten immer mehr zur Entfaltung zu bringen. Wir tun dies durch die Verbesserung unserer operativen Abläufe und Maßnahmen, durch Transparenz in Finanzen und Verwaltung sowie durch respektvolle Kommunikation innerhalb und außerhalb unseres Netzwerkes. Wir bauen Fundraising-Kapazitäten auf, die die Nachhaltigkeit unserer Projekte sicherstellen. JRS überprüft und bewertet seine Aktivitäten und seine Kommunikationsformen ständig.

Richtlinien zur Missbrauchsprävention

Die Prävention des Missbrauchs von Kindern und besonders schutzbedürftigen Erwachsenen spielt auch in unserer Arbeit eine große Rolle. Auf der Grundlage eines von JRS International entwickelten Konzepts und in Abstimmung mit dem Präventionsbeauftragten der Deutschen Region der Jesuiten haben wir deshalb Richtlinien für diese Prävention entwickelt. Sie können hier heruntergeladen werden.

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