"Diese Mission kann zum Frieden beitragen"

Nur wenige Tage nach dem gescheiterten Aufstand der Wagner-Söldner in Russland hat der italienische Kardinal Matteo Zuppi in Moskau im Auftrag von Papst Franziskus eine Friedensinitiative für den Ukraine-Krieg begonnen. P. Stephan Lipke SJ ist Sekretär der katholischen Russischen Bischofskonferenz. Im Interview äußert er sich zu den aktuellen Herausforderungen und Hoffnungen.

Pater Lipke, wie ging es Ihnen während des bewaffneten Machtkampfs zwischen den Wagner-Söldnern und der russischen Armeeführung?

P. Stephan Lipke: Natürlich waren wir am Samstag, so wie viele andere Menschen in Moskau und in Russland, zumindest im europäischen Teil, sehr nervös: Was kommt da heute auf uns zu? Wie geht das weiter? Zum Beispiel haben wir uns auch ganz konkret gefragt, ob die Gottesdienste am Sonntag stattfinden beziehungsweise die Gläubigen sie besuchen können - bis sich das erst am späteren Abend aufgelöst hat.

Putin hat inzwischen auch die Religionsgemeinschaften gelobt, weil sie sich für den Erhalt der verfassungsmäßigen Ordnung im Land stark gemacht hätten. Auch der katholische Weihbischof Nikolai Dubinin hatte sich am Samstag öffentlich hinter Putin gestellt. Wie positioniert sich die katholische Bischofskonferenz in Russlands Krise?

Die Situation war am Samstag so unklar, dass es schwer war, überhaupt einzuschätzen, was vor sich geht. Aber natürlich gilt auch hier, so wie es die Bischofskonferenz seit über einem Jahr betont, dass es der katholischen Kirche um Frieden, um die Würde aller Menschen und besonders der Armen und Hilfsbedürftigen geht. Und dabei vergessen wir natürlich auch nicht, dass irdische Macht immer vergänglich ist und - wie Paulus sagt - unsere Heimat im Himmel ist.

Der Friedensbeauftragte von Papst Franziskus für den Ukraine-Krieg, Kardinal Matteo Zuppi, ist nach Moskau gekommen. Sind Sie optimistisch, dass diese Mission zu einem gerechten Frieden zwischen Russland und der Ukraine beitragen wird?

Entscheidend ist zu hoffen und zu beten. Ich denke schon, dass wenn der Kardinal gut zuhört und der Papst das Gehörte aufnimmt und weise geistlich unterscheidet, diese Mission ein Beitrag zum Frieden werden kann. Ganz bestimmt kann sie dazu beitragen - wie das ja auch schon in der Vergangenheit der Fall war -, bestimmte humanitäre Fragen zu lösen, zum Beispiel Kriegsgefangenen zu helfen.

Welche Rolle spielen bei der Friedensvermittlung die katholischen Bischöfe in Russland?

Wir haben es ja mit der besonderen Situation zu tun, dass Staat und orthodoxe Kirche, wenn es nicht direkt um lokale Angelegenheiten geht, nicht mit der Bischofskonferenz, sondern mit dem Vatikan sprechen wollen. Die Bischofskonferenz ist aber berufen, an die Gewissen der Menschen zu appellieren, zu Gebet, Zuhören und guten Werken aufzurufen. Vielleicht kann daraus ja auch ein Beitrag zum Frieden werden.

Wie gut funktioniert aktuell der Austausch zwischen den Bischofskonferenzen Russlands und der Ukraine? Könnten Sie sich eine gemeinsame Erklärung beider Bischofskonferenzen gegen den Krieg vorstellen?

Einen offiziellen Austausch gibt es derzeit weder mit der lateinischen Bischofskonferenz der Ukraine noch mit den beiden griechisch-katholischen Kirchen. Es gibt aber immer wieder informelle Kontakte, zum Beispiel im Februar beim synodalen Treffen der Katholiken Europas in Prag. Und wenn die Zeit kommt, dann, hoffe ich, werden unsere Kirchen gemeinsam einen Beitrag zur Versöhnung leisten.

Der orthodoxe Moskauer Patriarch Kyrill I. hat mehrmals den Krieg gegen die Ukraine gerechtfertigt. Belastet das Ihr Verhältnis zur russisch-orthodoxen Kirche?

Es ist wichtig zu bedenken, dass die russische Orthodoxie nicht nur Kyrill ist. Sicher sind derzeit die Möglichkeiten eines Dialogs ziemlich eingeschränkt; aber es gibt schon immer wieder Kontakte, vor allem auch auf der Ebene von Laien und "einfachen" Priestern.

Moskaus Oberrabbiner Pinchas Goldschmidt und der evangelische Erzbischof Dietrich Brauer flohen 2022 wegen staatlicher Repressalien aus Russland. Mussten auch katholische Geistliche Russland verlassen?

In den vergangenen eineinhalb Jahren wurden einige Priester ausgewiesen, etwa aus Belgorod, aus dem Gebiet Rostow, aber auch vom Ural. In all diesen Fällen war ziemlich unverständlich, womit das zusammenhängt. Aber wir versuchen, so gut es geht, auch weiter Gott und den Menschen zu dienen.

Interview: Oliver Hinz (KNA)

Partner

Spenden

Das Magazin „Jesuiten“ erscheint mit Ausgaben für Deutschland, Österreich und die Schweiz. Bitte wählen Sie Ihre Region aus:

×
- ×