Wie ein Freund zu einem Freund spricht

2024 soll auf Vorschlag von Papst Franziskus ein „Jahr des Gebets“ werden – in Vorbereitung auf das Heilige Jahr 2025. Der Koordinator des Weltweiten Gebetsnetzwerk des Papstes, Dag Heinrichowski SJ, gibt deshalb Impulse für das persönliche Beten.

Auch wenn ich selbst nie so wirklich passionierter Fan der „Don Camillo“-Filme war, kenne ich doch die zahlreichen Szenen, in denen sich der italienische Dorfpfarrer in seine Kirche zurückzieht und mit Jesus am Kreuz im Altarraum spricht. Ob die Schwierigkeiten mit dem kommunistischen Bürgermeister Peppone oder andere Sorgen: Don Camillo öffnet dem Herrn am Holzkreuz sein Herz und spricht mit ihm über das, was ihn bewegt. Und das Verblüffende an diesen Szenen: Jesus hört nicht nur zu, sondern er antwortet und gibt bisweilen Contra. Film bleibt Film, aber Don Camillo gibt ein schönes Beispiel, wie persönliches Beten „geht“.

Der heilige Ignatius von Loyola (1491 – 1556), der Gründer der Gesellschaft Jesu (Jesuitenorden), ist bekannt für die „Geistlichen Übungen“ oder auch „Exerzitien“, die er unterschiedlichen Menschen gegeben hat, um ihnen zu helfen, das eigene Leben zu ordnen und Gott näherzukommen. Die verschiedenen Übungen, die Ignatius in seinem Exerzitienbüchlein aufschreibt, nehmen das eigene Leben und die Heilige Schrift zum Ausgangspunkt. Mithilfe der eigenen Fantasie, der Sinne der Vorstellungskraft, lässt der Betende die biblischen Szenen vor dem inneren Auge lebendig werden. Ignatius rät bei diesem „Kopfkino des Herzens“ dazu, die inneren Bewegungen und Gefühle zu beachten und sie zum Gebet zu machen. Am Ende einer jeden Übung steht für Ignatius ein Gespräch mit Jesus Christus. Dieses Gespräch solle geführt werden wie mit einem Freund oder einer Freundin. Das Gespräch am Ende der ersten Übung, die sich im Exerzitienbüchlein – quasi der Anleitung für die Begleiter – findet, erinnert an die Szene aus Don Camillo: Es ist ein Gespräch mit Jesus Christus am Kreuz.

Nicht nur zu reden, sondern auch zu hören

Was bei Don Camillo und Ignatius etwas fromm daherkommen mag, ist durchaus alltagstauglich: Schon das kurze Stoßgebet, die freie Fürbitte kann ein Einstieg in das Gespräch sein. Wichtig ist – wie bei jedem Gespräch – nicht nur zu reden, sondern auch zu hören, auf Resonanzen zu achten und das Augenmerk darauf zu legen, was sich in mir selbst bewegt und mich berührt. „Alles wirkliche Leben ist Begegnung“, sagt der jüdische Philosoph Martin Buber. Und das gilt auch für das Gebet: Gebet ist Begegnung und Beziehung mit Gott. Das zu verstehen, hat bei mir etwas gedauert. Als Jugendlicher war „beten“ für mich mehr oder weniger gleichbedeutend mit dem Lesen frommer Texte. Mehr und mehr habe ich entdecken können, dass diese Texte eine hilfreiche Hinführung und Vorbereitung sein können, aber das eigentliche Gebet Beziehung ist – wie ein Freund zu einem Freund.

Der flämische Jesuit Ägid van Broeckhoven SJ, der als Arbeiterpriester in Brüssel gelebt und gearbeitet hat und 1967 im Alter von nur 34 Jahren bei einem Arbeitsunfall in der Fabrik ums Leben gekommen ist, schreibt in seinem Tagebuch „Freundschaft in Gott“ (Johannes-Verlag) auch über seine Gebetserfahrungen. Für ihn ist das Gebet die existentielle Suche nach der Gegenwart Gottes. Und wenn es mit dem Beten nicht so gelingt, dann sind es seiner Ansicht nach nicht die Umstände wie das Fehlen einer Kapelle, sondern die Selbstzentriertheit. Pointiert notiert Broeckhoven in sein Tagebuch: „Das Problem des Gebetslebens ist nicht: Wie soll ich beten? Wann soll ich beten? Sondern: Wie erreicht mich Gott? Wann erreicht mich Gott?“

Gut ist, was hilft, um mit Gott ins Gespräch zu kommen

Gebet ist Begegnung und Beziehung. Aber auch ein Flugzeug braucht eine Startbahn, um in die Luft zu kommen. Aber das Rollen über den Asphalt ist nochmal etwas ganz anderes als Fliegen selbst. Und so braucht auch das persönliche, freie Gebet unterschiedliche Impulse und einen Rahmen, der hilft, in der Gegenwart anzukommen und zu entdecken, wo und wie Gott mich erreicht. Dabei ist es egal, um welche Startbahn es sich handelt: ein biblischer Text oder das eigene Leben wie bei Ignatius, oder – wie bei Don Camillo – ein besonderer Ort oder ein bestimmtes Bild. Gut ist, was hilft, um mit Gott ins Gespräch zu kommen, um ihm anzuvertrauen, was mich bewegt, und zu hören, was er dazulegen möchte.

Der Beitrag von Dag Heinrichowski SJ erschien in der Münchner Kirchenzeitung vom 7. Januar 2024. Übernahme mit freundlicher Genehmigung.

Autor:

Dag Heinrichowski SJ

Dag Heinrichowski SJ ist in Hamburg aufgewachsen. Im Anschluss seines Abiturs hat er mit dem Theologiestudium begonnen. Stationen waren Sankt Georgen und das Newmaninstitut in Uppsala. Mit 24 Jahren ist er in den Jesuitenorden eingetreten. Nach dem Noviziat hat er in der Jugendarbeit am Canisius-Kolleg (CK) in Berlin mitgearbeitet. Nach seinem Theologiestudium in Paris ist er seit 2021 in Hamburg in der Jugendarbeit tätig. 2022 wurde er zum Koordinator des Gebetsnetzwerks des Papstes in Deutschland ernannt.

Bild 1: SJ-Bild

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