• Auferstehung Christi, Fresko in Saint Germain des Pres, Paris

Auferstehung – eine Verheißung

Der messianische Glaube von Markus ist aus der Katastrophe der Zerstörung des Tempels geboren

„Und hinaus gingen sie, flohen vom Grab. Noch zitterten sie und waren außer sich. Und mit niemand sprachen sie etwas – voll Furcht wie sie waren.“ (Mk 16,8 nach Fridolin Stier) Mit der panischen Flucht von drei Frauen endet ursprünglich das Markusevangelium. Provokativer geht es kaum: Der Vorhang fällt und alles bleibt offen! Aber die Erscheinungen des Auferstandenen waren doch die Initialzündung des neutestamentlichen Glaubens! Ausgerechnet bei Markus, dem ältesten Evangelisten, fehlen sie! Warum?

Originalität und Eigenart des Markusevangeliums
Wir müssen immer bedenken: Die Evangelisten haben 4 bis 6 Jahrzehnte nach dem Tod Jesu für ganz bestimmte Gemeinden geschrieben bzw. ihre Schriften redigiert. Auf deren konkrete Lebenssituation hin sind die Evangelien konzipiert.

Markus war der Erste, der um das Jahr 70 eine „Frohbotschaft“ als neue literarische Gattung kreierte, und zwar für römische Hausgemeinden. Er schuf eine Art „Heldenbiographie“ Jesu – unter dem unmittelbaren Eindruck der Zerstörung des Tempels in Jerusalem. Der für den Juden Markus heiligste Ort samt der ganzen Stadt in Schutt und Asche! Jerusalem von einem Wald mit gekreuzigten Juden umsäumt! Die Katastrophe hätte nicht schlimmer sein können! Zudem lag die Neronische Christenverfolgung in Rom erst 7 Jahre zurück. Kann man in Ausweglosigkeit und Angst Auferstehungsgeschichten erzählen? Da konnte man doch nur zittern und außer sich sein – wie die Frauen am Grab! So gesehen, ist das Markusevangelium ein Kommunikationsangebot, um bei drohendem Abbruch des Glaubens mit der Verborgenheit Gottes zurecht zu kommen und die Hoffnung zu bewahren. Das gilt nicht nur für das Jahr 70!

Auferstehung – eine Verheißung für Heute
Die Schrecken der Weltgeschichte werden uns täglich in den Medien geliefert. Manchmal landen die Einschläge direkt neben uns. Ein- und Abbrüche im Leben schreien nach einer Antwort, wo doch unsere menschliche Existenz ohnehin eine einzige offene Frage ist.

Die Auferstehungsbotschaft hat es mit diesen Grundfragen zu tun. Für die Menschen, die Markus vor Augen hatte, lagen die Ostererscheinungen vierzig Jahre zurück. Es waren umwerfende Erfahrungen von inzwischen Verstorbenen. Der Evangelist übergeht die Erstzeugnisse, denn er will die Herausforderungen um das Jahr 70 deuten. Daher wird „Auferstehung“ im ältesten Evangelium nicht als Widerfahrnis der Vergangenheit geschildert, sondern als Verheißung für die Gegenwart – auf Hoffnung hin. Der weißgewandete Jüngling am Grab sagt den drei Frauen: „Auferweckt ward er … Er geht euch voraus nach Galiläa; dort werdet ihr ihn sehen, wie er euch gesagt hat.“ (Mk 16,6f.)

„Galiläa“ als Ort einer neuen Sammlung
Was bedeutet Galiläa für die Jüngerinnen und Jünger? Es ist der Ort des faszinierenden An-fangs, wo Jesus die ersten Jünger hinter sich geschart hat. Demnach lautet die Botschaft des Engels bis heute: Geht nach Lebensbrüchen in eure Anfangsbegeisterung zurück! Dort liegt eure psychische Ressource! Fragt euch, ob z. B. der Beginn einer großen Liebe wirklich echt war! Denn was authentisch war, birgt in sich die Kraft, auch Schweres zu bestehen.

Galiläa ist weiterhin der Fluchtpunkt. Markus stellt in der Ölbergszene fest: „Da verließen ihn alle und flohen“ (Mk 14,50). Nichts wie weg, um sich schnell nach Galiläa abzusetzen! Nur Petrus wagte es, Jesus zu folgen. Doch gerade er verleugnete seinen Meister und weinte bitterlich. So ist Galiläa zugleich der Ort, wo sich alle wiederfanden, die Jesus verraten und verlassen hatten. „Er geht euch voraus nach Galiläa“ heißt: Er geht euch nach, er erwartet euch trotz Schuld und Versagen, er bleibt treu und sammelt euch neu – eine Auferstehungserfahrung bis heute! 

Galiläa ist nicht nur Ort der ersten Begeisterung, Fluchtpunkt der Schuld und Anfang einer neuen Sammlung. Galiläa ist auch Heimat und steht für Alltag, Beruf und Familie. Bei Johannes findet sich dazu eine eigentümliche Ostergeschichte (vgl. Joh 21,1–14): Die ersten Jünger arbeiten wieder als Fischer wie früher. Nach einer erfolglosen Arbeitsnacht sagt ihnen eine geheimnisvolle Gestalt am Ufer: „Werft das Netz auf der rechten Seite des Bootes aus und ihr werdet etwas finden.“ Für erfahrene Fischer ein völlig absurder Vorschlag! Aber sie tun es und das Netz ist plötzlich übervoll mit Fischen!

Die Jesusgeschichten als Auferstehungserfahrung
So kann es geschehen: Mitten im Gewöhnlichen stellt sich Ungewöhnliches, völlig Unerwartetes ein! Manchmal kann sich scheinbar Absurdes so wunderbar wandeln, wie wir es nie erwartet hätten. An dieser überraschenden Wende erkennen die Jünger den Auferstandenen. Er lädt sie am Ufer zum Frühmahl ein. Niemand wagt zu fragen, wer er ist. Sie spüren: „Es ist der Herr!“ In einem mühevollen, erfolglosen Alltag kann sich die Atmosphäre plötzlich umdrehen: Trotz Niedergeschlagenheit und ungeklärter Fragen stellt sich eine geheimnisvolle Bejahung ein, eine Geborgenheit mitten in Bedrängnis. Galiläa steht dafür, dass die ersten Jüngerinnen und Jünger neu an ihren scheinbar verlorenen Glauben anknüpfen konnten – wie auch heute, wenn Altes und verschüttet Geglaubtes plötzlich wieder durchbricht und das Leben sich neu ordnet.

„Er geht euch voraus nach Galiläa“ soll den verunsicherten Jesusanhängern um das Jahr 70 den Impuls geben: Geht nach diesem schockierenden Schluss des Evangeliums noch einmal an den Anfang zurück! Lest und vertieft euch in die Lebensgeschichte Jesu noch einmal ganz von vorne!

Am Anfang ruft Jesus zwei Brüderpaare mit magnetischer Kraft in seine Nachfolge. „Auf, hinter mich!“ (vgl. Mk 1,16–20). – Die Frage an bedrängte Gläubige damals lautet also bis zu uns heute: Wurdest nicht auch du einmal innerlich gepackt? Du magst jetzt schwer erschüttert sein, aber der Zauber des Anfangs lässt dich nicht los! Erfülltes Leben lebt von der Faszination eines Lebensentwurfs. Drohen Abbrüche, dann zeigt sich, ob eine Lebensvision tragfähig ist, ob sie gar durch Krisen an Reife und Tiefe gewinnt.

Die zweite Szene spielt in der Synagoge von Kafarnaum. Jesus lehrt und ein Besessener schreit dazwischen. Er ist von dämonischen Kräften besetzt, die die Gegenmacht des Göttlichen wittern (vgl. Mk 1,21–28). – Jeder von uns steckt in geerbten Prägungen, auch in schuldhaften Verstrickungen. Jesus tritt auf, um Menschen aus dem Netz der Entfremdung zu befreien. Auch heute kann die Erfahrung, trotz aller Lebenslast ein freier, selbstbestimmter Mensch zu sein, eine Ahnung von „Auferstehung“ aufblitzen lassen. 

Die dritte Szene führt in das Haus des Petrus, wo die Schwiegermutter mit Fieber darniederliegt. Jesus „fasste sie an der Hand und richtete sie auf“ (Mk 1,29–31). – Nach schwerer Krankheit oder einem psychischen Einbruch aufgerichtet zu werden, erfahren wir als unerhörtes Geschenk, das ein Gefühl von Heil und Erlösung aufsteigen lässt. Auch das eine Leuchtspur, die zum Auferstehungsglauben ermutigt. Markus sagt seiner Gemeinde und uns: Vertieft euch in diese Jesusgeschichten! 

Der Jude Markus hat seine Sicht des Glaubens aus der jüdischen Bibel gelernt. Die fünf Bücher Mose enden nicht im Triumph. Mose darf das Gelobte Land nicht betreten. Dieses Land der Verheißung wurde eigentlich nie erreicht, denn das Volk und vor allem seine Oberschicht fielen immer wieder in die alten Muster von Unterdrückung und Unfreiheit zurück. Deshalb mussten prophetische Stimmen warnen und schlimme Folgen androhen – im Namen eines Gottes der Befreiung.

Auferstehung als Antwort Gottes auf das Leben Jesu
Die furchtbarste Katastrophe war die Zerstörung des ersten Tempels (587 v.Chr.). Erst im Babylonischen Exil, ohne Land und Tempel, brach der volle Glaube an den einzigen Gott durch. Auf dieses Muster greift Markus zurück. Auch sein messianischer Glaube an den Auferstandenen ist aus einer Katastrophe geboren. Deshalb sagt er: Schaut auf Jesus zu seinen Lebzeiten! Verinnerlicht vor allem sein zentrales Anliegen „Der Menschensohn ist nicht gekommen, um sich dienen zu lassen, sondern um zu dienen und sein Leben hinzugeben als Lösegeld für viele“ (Mk 10,45)! Die Schwiegermutter des Petrus ist die Erste, die dieser Maxime folgt!

An die Auferstehung im Heute und über den Tod hinaus können nur Menschen glauben, die ihren existentiellen Fragen nicht ausweichen, Menschen, welche die Grundspannungen des Lebens in der Haltung des Vertrauens angehen. Im Blick auf Jesus können wir lernen, wie sich höchste Seligkeit und tiefstes Elend in einem Menschen vereinen. Jesu Leben endet bei Markus mit einem wortlosen Schrei nach Gott (vgl. Mk 15,34.37). Die Auferstehung des Gekreuzigten ist die Antwort Gottes auf das gesamte Leben Jesu. Als „Gesalbter“ (griech. „Christos“), als Messias Gottes wird er zum Anführer einer universalen Hoffnungsgeschichte. Er ist das „Ja zu allem, was Gott verheißen hat“ (2 Kor 1,20). Markus ermutigt uns bis heute, in allem, was uns widerfährt, auf den verborgenen Gott des Lebens zu hoffen!

Ostern 2024, Karl Kern SJ

Autor:

Karl Kern SJ

Pater Karl Kern SJ stammt aus Obernburg am Main in Unterfranken. 1968 trat er mit 19 Jahren in den Jesuitenorden ein und wurde 1976 zum Priester geweiht. Er hat als Hochschulseelsorger und Gymnasiallehrer gearbeitet. Ab 1996 hat er in Nürnberg die Cityseelsorge in der "Offenen Kirche St. Klara" aufgebaut. Von 2010 bis 2022 war er Kirchenrektor der Jesuitenkirche St. Michael in München. Seitdem ist er als Seelsorger sowie für das Fundraising der Hochschule für Philosophie in München tätig.

Bild 1: adobestock/zatletic

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