Verfolgen Sie ein falsches Leistungsprinzip, Pater Kiechle?

Interview darüber, wovon Menschen mehr suchen sollten, wie das im Alltag geht, und warum, was zunächst nach Leistungsdünkel klingt, eine tiefe spirituelle Dimension hat.

Ist das jesuitische Magis ein Leistungsprinzip?

Naja, es stimmt zwar, dass Jesuiten als strebsam und fleißig gelten, als effizient und elitär, ja auch als karriereorientiert und ehrgeizig. Nicht selten wirken wir beschäftigt, oft auch gestresst. Das ist aber mit Magis (lat. für „mehr“) nicht gemeint! Es geht dabei nicht um Leistung, Ergebnisse, Ehrgeiz. In seinen Schriften hat der Heilige Ignatius dieses Prinzip immer stets auf Gott bezogen, etwa durch sein berühmtes Motto: „Alles zur größeren Ehre Gottes“ oder seine Bitten, „Christus (immer) mehr zu lieben und ihm mehr zu dienen“, bzw. „den Willen Gottes immer tiefer zu erkennen“. Es geht bei Magis daher nicht um Quantität, sondern um Qualität.

Wovon denn aber dann mehr?

Mehr an Beziehung. Mehr an Hingabe. Mehr an Trost. Mehr an Liebe. Mehr an echter innerer Freude. Und damit mehr von dem, was Gott in uns angelegt hat – und wenn man so will: von dem, was er von uns will. Er will uns mehr zu sich ziehen, er will, dass wir eine tiefere Beziehung finden zu ihm – und damit auch zu unserem eigenen Wesenskern.

Und wie kommt man zu diesem Mehr?

Ignatius schlägt das regelmäßige Gebet vor: dass wir uns von der Schrift inspirieren lassen, sie betrachten, meditieren und genau hinschauen, was in uns dabei geschieht. Sehr hilfreich ist auch ein abendlicher Tagesrückblick, mit dem Ziel, Spuren Gottes im zurückliegenden Tag zu entdecken: Wo wurde uns etwas geschenkt, was nicht durch uns geschah? Wo hat Gott sich vielleicht gezeigt? Wo haben wir unerwartet Trost oder Freude empfunden?

Also eine tägliche Übung. Ist das vergleichbar mit dem Erlernen einer Sprache oder eines Musikinstruments?

Ja, das kann man vergleichen. Sowohl eine Sprache oder ein Instrument wie auch Spiritualität muss man laufend üben, damit man es beherrscht. Irgendwann geht es dann von selbst und man kommt immer tiefer rein: ins Sprechen, ins Musizieren, in die Gottesbeziehung.

Was ist, wenn man an einem Punkt zufrieden ist mit dem Erreichten, und sich sagt: eigentlich habe ich eine ganz gute Gottesbeziehung?

Das gibt es sicherlich, aber das wäre nicht ignatianisch. Angesichts der Brüche, Probleme, Leiden, Defizite, die eigentlich ein jedes Leben kennt, gibt es keinen Grund für Selbstzufriedenheit, sondern vielmehr Anlass, immer aufs Neue dieses Mehr an Nähe zu Gott zu suchen.

Was ist das Ziel dieses inneren Suchens nach dem Mehr?

Der Endpunkt, dass wir ganz an Gott heranrücken, ist im irdischen Leben nicht erreichbar, insofern hat Ignatius mit dem Magis-Prinzip schon die richtige Herangehensweise gefunden. Im anderen Leben werden wir dann ganz bei Gott sein.

Haben Sie praktische Tipps für die, die sich in Magis üben wollen?

Abends eine Viertelstunde Tagesrückblick, das habe ich schon erwähnt. Und dann danken: danken für alles, was mir geschenkt wird, was ich nicht durch eigenes Tun erhalten der erreicht habe. Denn im Danken kann ich Gott sehen. Und es ist eine ganz einfache Übung, durch die immer etwas wächst.

Interview: Gerd Henghuber

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