Er ist der erste Socius der Zentraleuropäischen Provinz der Jesuiten (ECE). Pater Jan Roser SJ hat sich diese Aufgabe nicht ausgesucht, fühlt sich in dieser facettenreichen Rolle aber wohl. Wir haben ihn gefragt, was das Amt des Socius in der Gesellschaft Jesu ausmacht und was es für ihn bedeutet.
Jan Roser stammt aus Süddeutschland. Aufgewachsen ist er unweit der Schweizer und französischen Grenze, eine Stunde von Basel entfernt, in einer Stadt mit vertrautem Klang: Freiburg, genauer gesagt: Freiburg im Breisgau. Als junger Mann schien sich eine Karriere als Pianist abzuzeichnen. Doch er tauschte den Flügel gegen den Altar. Seit seinem Eintritt in die Gesellschaft Jesu 1996 war Pater Roser in verschiedenen Bereichen und Regionen tätig. Sein Studium der Philosophie und Theologie in Freiburg, München und Paris machte ihn zum Zweitsprachler. Genau genommen ist Jan Roser sogar drei- oder sogar viersprachig, was zusammen mit einer heiteren Art und der Fähigkeit, aktiv zuzuhören, seine Leichtigkeit in der Kommunikation mit jedermann erklärt.
In der neuen Zentraleuropäischen Jesuitenprovinz, die am 27. April 2021 gegründet wurde, übernahm Jan Roser die Funktion des Socius des Provinzials (siehe Kasten), zusammen mit seiner Aufgabe als Delegat für Kommunitäten. Die Rolle des Socius ist ihm vertraut, da er sie bereits zwischen 2019 und 2020 in der ehemaligen Deutschen Provinz übernommen hatte, bevor er der letzte deutsche Provinzial vor der Errichtung der Zentraleuropäischen Provinz wurde.
Diese besondere Rolle des Socius in der Gesellschaft Jesu ist wenig bekannt und sehr vielfältig. Ein Socius ist die rechte Hand des Provinzials, der erste Ansprechpartner in allen denkbaren Situationen. Im Interview erklärt Pater Roser, was sein Amt ausmacht und wie er es lebt.
Wie definieren Sie den Socius?
Jan Roser: Die Definition, die den Socius wohl am besten beschreibt, findet sich in den Satzungen der Gesellschaft Jesu: Der Socius ist manus (Hand) und memoria (Gedächtnis) des Provinzials. Er ist mitverantwortlich für die Umsetzung der Entscheidungen, die der Provinzial trifft. Er führt beispielsweise gemeinsam mit seiner Assistenz die Korrespondenz mit den Mitbrüdern, die von den Entscheidungen der Provinzleitung betroffen sind – wie z. B. ihre Sendung in eine neue Mission. Der Socius ist auch ein Bindeglied zwischen der Provinz und der römischen Generalskurie der Jesuiten. Alles, was im Provinzialat auf operativer Ebene umgesetzt werden muss, fällt in seinen Verantwortungsbereich. Er ist zudem geborenes Mitglied des Provinzkonsults, in dem die Berater des Provinzials zusammenkommen, die derzeit aus den verschiedenen Regionen der Zentraleuropäischen Provinz stammen.
Es muss also eine enge Abstimmung zwischen dem Provinzial und dem Socius geben?
Das ist ganz entscheidend! Jeden Morgen treffen wir uns zu einem Briefing, um die laufenden Projekte zu besprechen und uns über aktuelle Themen auszutauschen. Der Socius ist in nahezu alle internen Abläufe der Gesellschaft eingeweiht. Nicht zuletzt deshalb gilt er als das Gedächtnis – memoria – des Provinzials.
Könnte man sagen, dass er sein Spiegelbild ist?
Der Socius ist in der Regel die erste Person, mit der der Provinzial über die zu treffenden Entscheidungen spricht und nachdenkt. In diesem Sinne ist er sein bevorzugter Gesprächspartner und ein ständiges Gegenüber. Er ist auch der Admonitor (siehe Kasten), der die Aufgabe hat, dem Provinzial gegenüber kritisch zu sein und ihm zu sagen, ob seine Amtsführung angemessen ist oder nicht, oder ob seine Vorgehensweise bei diesem oder jenem Thema geändert werden sollte.
Es ist daher von entscheidender Bedeutung, dass Provinzial und Socius sich vertrauen, einander gut verstehen und respektieren.
Eine Rolle ohne Entscheidungsbefugnis, aber entscheidend...
Ja, es kam zum Beispiel bereits vor, dass ein Provinzial sich gegen die Gewohnheit entschied, seinen Socius zum Admonitor zu machen und einen anderen wählte, weil er der Meinung war, dass die Rolle des Admonitors in bestimmten Fällen, etwa im Kontext des sexuellen Missbrauchs, nicht vom Socius übernommen werden sollte, da diesem in solchen Fällen die kritische Distanz zur Provinzleitung fehlen könnte. Eine Ansicht, die der aktuelle Provinzial nicht teilt. Er hat den Socius wieder als Admonitor eingesetzt.
Was macht Ihrer Meinung nach am meisten Sinn an der Funktion des Socius?
Die meisten seiner Aufgaben machen Sinn, da ist es schwer zu sagen, was am meisten Sinn macht. Sie sind sehr unterschiedlich. Ein Beispiel? Wenn ein Mitbruder die Gesellschaft verlassen will, bereitet der Socius die Unterlagen zur Beurteilung seines Antrags vor. Er empfängt ihn, spricht mit ihm, sammelt Zeugnisse, korrespondiert mit Rom... Das sind Aufgaben, die ich mir persönlich nie ausgesucht hätte, mit denen ich aber zu einem guten Umgang im Orden untereinander beitragen kann. Nichts hat mich für die Rolle des Socius prädestiniert. Ich war eher für pädagogische Aufgaben bestimmt, war in der Erwachsenenbildung und der Seelsorge tätig. Mein Wunsch war es, den Menschen nahe zu sein und sie in einem apostolischen Kontext zu begleiten. Stattdessen bin ich nun zum „Manager“ geworden und verwalte zusammen mit anderen ein „Unternehmen“ mit etwa 400 Mitarbeitern.
Ich verstehe dies in erster Linie als einen Dienst, den ich meinen Mitbrüdern erweise.
Kann ein Jesuit dieses Amt ablehnen?
Ja und nein. Wir haben ein Gehorsamsgelübde abgelegt. Gleichzeitig ist der Orden intelligent genug konzipiert, um nicht auf einen falsch verstandenen „Kadavergehorsam“ zu bestehen. Zu wissen, dass man zu Ämtern berufen werden kann, die über den individuellen Willen hinausgehen und die man nicht angestrebt hat, gehört zum grundlegenden Charisma des Jesuiten. Meiner Erfahrung nach haben die Provinziäle immer ein offenes Ohr gehabt und nie einen Jesuiten zu einem Amt gezwungen, für das er nicht letztlich auch bereit gewesen wäre.
Als ich zum ersten Mal in dieses Amt berufen wurde, fragte ich einen Mitbruder, ob ich ablehnen könne, denn ich habe mich in meiner damaligen Mission sehr wohl gefühlt und fand es zu früh, das, was im Entstehen war, zu verlassen. Er antwortete mir: „Ja natürlich, aber warum solltest du ablehnen? Diese Stelle ist ein Vertrauensbeweis, der dir entgegengebracht wird. Welche Argumente hast du, um sie abzulehnen? Es ist zwar nicht immer eine schöne Aufgabe, aber sie muss von einem von uns übernommen werden.“ Ich fand das überzeugend.
Ist ein unterscheidbares Nein nicht besser als ein halbherziges Ja?
In unseren Satzungen hat Ignatius trotz der Betonung des Gehorsams geschrieben, dass man Bedenken im Blick auf Destinationen benennen muss. Wenn ein Jesuit den Eindruck hat, dass sein Oberer eine ihn betreffende Entscheidung getroffen hat, die er nicht ausreichend geprüft hat, muss man ihm das sagen. Und selbst wenn der Obere nach reifer Überlegung mit derselben Bitte zurückkommt, die immer noch nicht angemessen und begründet erscheint, soll man ihm das noch einmal sagen. Ignatius befürwortet den Dialog. Und erst wenn alle Argumente ausgetauscht wurden und beide Seiten sich frei äußern konnten, ist die Entscheidung des Oberen ausschlaggebend. Dieses Vorgehen scheint mir sehr weise und effizient zu sein. Manchmal habe ich den Eindruck, dass einige Jesuiten es nicht gewagt haben, den Vorschlag ihres Oberen in Frage zu stellen, und dass sie ihre Argumente und Gedanken nicht nachdrücklich genug vorgebracht haben – was frustrierend sein kann.
Was verschafft Ihnen die größte Zufriedenheit in der Funktion des Socius?
Der Socius sollte möglichst alle seine Mitbrüder – mit ihren Licht- und Schattenseiten – und die Werke aus der ganzen Provinz kennenlernen und im Blick behalten, um sie gemeinsam mit dem Provinzial in ihrem Leben und Arbeiten nach Kräften und im Sinne der apostolischen Präferenzen der Gesellschaft zu unterstützen.
Die Rolle des Socius besteht darin, die Augen immer wieder für die Realität zu öffnen und sich keinen Illusionen hinzugeben. Zugleich sollte er sich einen liebenden und vom Glauben getragenen Blick auf die Wirklichkeit bewahren.
Das ist auch eine spirituelle Aufgabe, gute wie schlechte Erfahrungen müssen integriert werden.
Nehmen wir zum Beispiel die Fälle sexuellen Missbrauchs in unser Provinz. Der Socius wird dabei im Detail mit Realitäten konfrontiert, die er vielleicht nicht erwartet hat, die manchmal auch schwer zu ertragen sind und die seinen Blick auf die real existierende Gesellschaft Jesu einschneidend verändern. Aber so ist es nun einmal. Er muss damit leben, es aber auch geistlich verarbeiten.
Was sind die wichtigsten Qualitäten eines guten Socius? Zuhören scheint dazu zu gehören.
Ja, auf jeden Fall. Ein Socius sollte gut zuhören können. Manchmal bin ich derjenige, an den sich Mitbrüder zuerst wenden, bevor sie zum Provinzial gehen. Ich bin sozusagen das ‚Vorzimmer‘, der Ort, an dem man sich austauscht, sich informiert, sein Treffen mit dem Provinzial vorbereitet. Ich kann die Komplexität dessen, was beim bevorstehenden Treffen auf dem Spiel steht, erspüren und sein Gelingen erleichtern. Ein Socius muss den Wind spüren, bevor er sich dreht, und daher ein gutes psychologisches und geistliches Urteilsvermögen haben.
Interview Céline Fossati
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