P. Andreas Batlogg SJ bewertet die Bischofssynode

„Wir Teilnehmenden merken: Es hat sich bei uns etwas verändert. Themen können weniger konfrontativ behandelt werden. Das Gebet und die Pausen der Stille haben manche Aggressivität herauszufiltern geholfen. Einige haben ihre Einstellung zu umstrittenen Themen überdacht: zur Rolle der Frauen, zur Beteiligung von Laien, zum Verhalten zu Menschen, die sich in unserer Kirche an den Rand und über den Rand hinausgedrängt fühlen ... Und noch wichtiger: Man redet nicht mehr vom ,so genannten‘ Missbrauch, sondern kennzeichnet ihn als das, was er ist: ein abscheuliches, tausendfach von kirchlichen Oberen gedecktes Verbrechen! All das macht Mut. Aber es muss weitergehen. Dieses Ende muss der Anfang einer offenen Kultur werden – für eine Kirche, die lernt, Einheit nicht als Einförmigkeit zu verstehen und geschwisterlich gelebte Vielfalt als Grundlage echter apostolischer Katholizität zu entdecken.“

So eine Art Bilanz von Thomas Schwartz, Hauptgeschäftsführer von Renovabis und Gastteilnehmer an der Weltsynode über Synodalität, die vom 4. bis zum 29. Oktober 2023 in Rom tagte, nachzulesen in seinem vorletzten Synoden-Blog in der Zeitschrift Christ in der Gegenwart (44/2023) unter dem Titel „Ende? Anfang!“

Papst Franziskus endete seine Predigt bei der Abschlussmesse mit den Worten:

„Brüder und Schwestern, die Synodenversammlung neigt sich dem Ende zu. In diesem ,Gespräch des Geistes‘ konnten wir die liebevolle Gegenwart des Herrn erfahren und die Schönheit der Geschwisterlichkeit entdecken. Wir haben einander zugehört, und vor allem haben wir durch die reiche Vielfalt unserer Geschichten und Empfindungen hindurch auf den Heiligen Geist gehört. Heute sehen wir noch nicht die volle Frucht dieses Prozesses, aber wir können mit Weitsicht auf den Horizont blicken, der sich vor uns auftut: Der Herr wird uns leiten und uns helfen, eine synodalere und missionarischere Kirche zu sein, die Gott anbetet und den Frauen und Männern unserer Zeit dient und hinausgeht, um allen die tröstliche Freude des Evangeliums zu bringen. (…)  Auf geht's, mit Freude!“

Nach der Synode ist vor der Synode

Zu Ende ging mit dem Gottesdienst im Petersdom die erste Session der 16. Ordentlichen Generalversammlung der Bischofssynode. In einem Jahr folgt die zweite Sitzung. In ihrem am 25. Oktober veröffentlichen Brief an das Volk Gottes blicken die 376 stimmberechtigten Synodenteilnehmerinnen und Synodenteilnehmer bereits voraus:

„Und jetzt? Wir hoffen, dass die Monate bis zur zweiten Session im Oktober es allen ermöglichen werden, konkret an der Dynamik der missionarischen Gemeinschaft teilzuhaben, auf die das Wort ,Synode‘ hinweist. Dies ist keine Ideologie, sondern eine in der apostolischen Tradition verwurzelte Erfahrung.“

Sie erinnern aber auch an die Worte von Papst Franziskus, als dieser im Oktober 2021 die Kirche weltweit auf diesen synodalen Prozess einschwor, nämlich dass die Vokabeln „Gemeinschaft und Mission“ Gefahr laufen, „etwas abstrakte Begriffe zu bleiben, wenn wir nicht eine kirchliche Praxis pflegen, die die Konkretheit der Synodalität zum Ausdruck bringt (…) und die wirkliche Beteiligung aller fördert.“

Mühsamer Lernprozess

Das ist ein mühsamer Lernprozess, ein Übungsweg: Tag für Tag, Woche für Woche, Monat für Monat – für eine Kirche, in der bisher meist top-down entschieden wurde. Mentalitäten, Gewohnheiten, Einstellungen sind davon betroffen. Sie sind, wie Kant sagte, schwerer zu knacken als Dogmen. Eine synodale Kultur in der Kirche zu etablieren – das dauert. Sie lässt sich nicht durch ein päpstliches Machtwort dekretieren oder durch bischöfliche Hirtenworte verordnen. Die Synodenteilnehmer haben das vier Wochen lang eingeübt – und offenbar hat das auf die meisten von ihnen eine sehr große Wirkung gehabt. Sie mussten lernen, mit unterschiedlichen Kirchenbildern und -visionen umzugehen, die in den vergangenen zwei Jahren sichtbar geworden waren, mit verschiedenen, teils diametral entgegengesetzten Vorstellungen von Reformen.

Geistlicher Prozess in Gang gekommen

Eine „Unterscheidung der Geister“ war nötig. Offenbar ist ein geistlicher Prozess in Gang gekommen in diesen Wochen. Warum? Weil die Methode des geistlichen Gesprächs angewendet wurde, die nach außen schwer zu vermitteln ist – erst recht gegenüber denen, die ihre eigene Reformliste abgearbeitet sehen wollen, welche oft eine „hidden agenda“ ist.

Alles, restlos alles kam auf den Tisch, auch strittige Themen, war immer wieder zu hören: also auch die bei uns so heiß gehandelten Themen wie Frauenweihe, Zölibat und Homosexualität. Wer „ergebnisoffen“ und „prozessorientiert“ statt „ergebnisorientiert in Beratungen hineingeht, steht am Ende vielleicht mit leeren Händen da. Ist das wirklich so? Eine Synode ist aber nicht mit Tarifverhandlungen zu verwechseln, bei denen um Promille gefeilscht wird, bei denen es darum geht, wie die Gegenpartei am besten über den Tisch gezogen werden kann. Diese vier Wochen wollten keine „Ergebnisse“ erzielen. Hätte man Anfang Oktober bereits gewusst, was Ende Oktober herauskommt, wäre alles manipuliert gewesen. Ergebnisse gibt es – hoffentlich – im Oktober 2024.

Neue Debatten- und Streitkultur

Es ging zuallererst um ein neues Hören aufeinander. Der Papst, Kardinal Mario Grech (Generalsekretär der Bischofssynode) oder Kardinal Jean-Claude Hollerich SJ (Generalrelator) haben immer wieder betont, dass der Heilige Geist der „Protagonist“ der Synode sei. Es stimmt: Eine Bischofsynode ist ein Beratungs-, kein Entscheidungsinstrument. Aber ich wehre mich nach wie vor gegen Stimmen, die deswegen die Synode eine „pseudodemokratische Illusion“ (Volker Reinhardt) nennen oder in ihr nur einen „weiteren Debattierclub ohne rechtliche Vollmachten“ (Hubert Wolf) sehen können. Es ist kein Parlamentarismus – daran erinnert Franziskus permanent. Aber es geht um eine neue Debattenkultur, zu der auch eine (faire) Streitkultur gehört. Hören, was Gott heute von der Kirche will, was der Geist uns zu sagen hat – das lässt sich nicht über Abstimmungen oder Lobbying herausfinden.

Kraft der Stille, Wert des Hörens

„Gemeinschaft, Teilhabe, Sendung“, wie das Motto der Synode 2021/2024 lautet, sind keine leeren Phrasen. Sie werden inhaltlich gefüllt werden müssen. Nun wurden Themen sortiert, die Fragen und Problemstellungen des aus meiner Sicht überaus brauchbaren „Instrumentum laboris“ angegangen. Wieder und wieder wurde dabei auf den Wert des Hörens verwiesen und auf die Kraft der Stille. Stille bewegt – und da ist in diesen vier Wochen viel passiert.

Ist das nichts: dass hier fast 380 Teilnehmerinnen und Teilnehmer im Synodendokument „Eine Kirche, die alle einbezieht und den Wunden der Welt nahe ist“ eine ganze Palette an Themen aufgelistet haben, die jetzt weiterbearbeitet werden (müssen)? Ist das nichts, dass Konvergenzen und Übereinstimmungen ebenso benannt sind wie tiefe Gräben? Alle 20 Paragraphen des Synodendokuments, über die jeweils einzeln abgestimmt wurden, wurden mit deutlicher Mehrheit angenommen. Alle Punkte erhielten eine Mehrheit von mindestens 80 Prozent der abgegebenen Stimmen (erforderlich war nur eine Zweidrittelmehrheit). Das ist kollektive Wahrheitsfindung, wie sie auch auf dem Zweiten Vatikanischen Konzil praktiziert worden war. Die meisten Gegenstimmen, nämlich 69, das sind 19,9 %, erhielt der Absatz, in dem es um die Einführung des Frauendiakonats geht, denen aber 277 Ja-Stimmen gegenüberstehen. Wen wundert das?

Deutsche Themen sind auch Weltthemen

Das hartnäckig kultivierte Narrativ, dass die Themen des deutschen Synodalen Weges nur „deutsche“ Themen seien, hat sich in Luft aufgelöst. Aber vielleicht brauchen wir hierzulande, nach den Erfahrungen und Enttäuschungen der Würzburger Synode (1971/75) und anderer Gesprächsformate in den letzten Jahren, mehr Geduld, den längeren Atem als in anderen Erdteilen, wo erst gelernt wird, kontrovers miteinander ins Gespräch zu kommen. Ultimative Forderungen schrecken dabei ab. Die Drohung mit dem Kirchenaustritt ist keine gute Methode, um das Klischee vom „Sonderweg“ oder einer „Nationalkirche“ vom Tisch zu bekommen. „Hören“ hat mit spirituellem Training zu tun. Es kann nicht erpresst werden. Geworben wurde dafür. Anders, neu, echter als bisher. Themen und Trends sind jetzt ausgemacht – und damit lässt sich in den kommenden Monaten weiterarbeiten. Bis dann wieder das Plenum zusammentritt und weiter berät.

Laien haben gutgetan

Partizipation schafft Identifikation: ein bekanntes Axiom. Beteiligung setzt voraus, dass sich alle als Gemeinschaft verstehen und gesendet wissen. Das gilt für geweihte Amtsträger ebenso wie für haupt- und ehrenamtliche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ohne Amt oder Weihe in der Kirche. Wir sind gemeinsam unterwegs als „Volk Gottes“: Das machte auch die Sitzordnung auf der Synode deutlich. Runde Tische, alle konnten sich in die Augen schauen – und nicht wie bisher aufs Podium mit dem Papst in der Mitte starren wie in einem Hörsaal. Auch gegen die runden Tische wurde natürlich polemisiert: Das sei eine nette gruppendynamische Übung, aber nicht mehr.

Ein alter „Synodenfuchs“ wie der Wiener Erzbischof, Kardinal Christoph Schönborn, der jetzt seine achte Synode erlebt hat, nannte die Versammlung im Kölner Domradio „die beste Synode, die ich erlebt habe, sie ist kommunikativ und hat eine offenere Methode“. Dass zum ersten Mal 25 Prozent stimmberechtigte „Laien“ dabei waren, Männer wie Frauen, habe ihr eine ganz andere Dynamik verliehen: „Natürlich sind wir Bischöfe eindeutig die Mehrheit, aber die Öffnung der Synode tut der Weltkirche gut.“ Auf die Frage, was jetzt „herausgekommen“ sei, meinte er: „Die Frage ist eher, was hereinkommt. Ein synodaler Weg verdoppelt die Synode und muss gelebt werden.“ Gegenüber Medienvertretern sagte Schönborn am Vorabend des Abschlusses der ersten Session, mit dem mit überwältigender Mehrheit beschlossenen Synthesepapier liege eine Roadmap bis zur Synode im Oktober 2024 „und weit darüber hinaus“ vor. Er schwärmte vor allem von der Erfahrung des Miteinanders: „Die Tatsache, dass man offen und frei und ohne Angst voreinander alle diese Themen auf den Tisch gelegt hat. Das habe ich in dieser Form noch nicht erlebt“.

Keine ideologischen Konflikte, keine Tabu-Themen

Timothy Radcliffe, der frühere Generalminister der Dominikaner, dämpfte zwar in seinen täglichen spirituellen Impulsen wiederholt Hoffnungen auf radikale Änderungen in der Kirche. Kurz vor Abschluss der ersten Session widersprach er aber auch der Behauptung, „ideologische Konflikte“ hätten die Beratungen geprägt. Vom Stil dieser Synode gehe Hoffnung aus – nicht nur für die „Heilung der Kirche“, sondern „auch für die Menschheit“, die mit wachsenden Polarisierungen und einem „Kollaps der Kommunikation“ in vielen Konfliktregionen der Welt konfrontiert sei.

Der am 28. Oktober verabschiedete, etwa vierzig Seiten umfassende Synthesebericht lässt so gut wie kein Thema aus: Frauen und Laien, Diakonat, Amt und Lehramt, Frieden und Klima, Arme und Migranten, Ökumene und Identität, neue Sprachen und erneuerte Strukturen, alte und neue (auch digitale) Missionen … Wie schon im Brief an das Volk Gottes bekräftigte die Synodenversammlung „die Offenheit, allen zuzuhören und sie zu begleiten, auch denen, die in der Kirche Missbrauch und Verletzungen erlitten haben“. Auf dem Weg „zu Versöhnung und Gerechtigkeit“ müssen „die strukturellen Bedingungen, die solche Missbräuche ermöglicht haben, angegangen und konkrete Gesten der Buße gesetzt werden“.

Synodalität führt zu mehr Echtheit und Wahrhaftigkeit in der Kirche

Kann man das alles „vage“ nennen? Ist eine Synode „ohne konkrete Beschlüsse“ nichts wert? Cui bono also: eine Synode über Synodalität? Unser Mitbruder Jean-Claude Hollerich, als Generalrelator eine Art Berichterstatter der Synode, gibt sich überzeugt: Eine synodale Kirche wird besser in der Lage sein, über strittige Themen zu sprechen. Erzwungene Harmonie, behaupteter Konsens – sind unehrlich. Synodalität führt auch zu mehr Echtheit und Wahrhaftigkeit in der Kirche. Wir verändern uns – weil ein synodaler Prozess, mit Herzblut und viel intellektuellem wie emotionalem Engagement betrieben, Mitwirkende verändert. Davon können wir uns alle anstecken lassen! Ich verspreche mir, allen pessimistischen Unkenrufen zum Trotz, einiges davon.

Im Schlussdokument heißt es unter anderem: „Eine synodale Kirche kann nicht ohne ihre Stimmen (Priester und Bischöfe) auskommen“ (1n). und: „Wir müssen die Gründe für den Widerstand einiger von ihnen gegen die Synodalität verstehen“. Das heißt also, dass auch denen zugehört, die Widerstand anmeldeten, Befremden oder Unverständnis. Auch ihre Stimmen wurden ernst genommen. 

Stimmen von Teilnehmern

Drei Stimmen noch, davon zwei von Synodenteilnehmern: Thomas Söding, Vizepräsident des ZdK und auf der Synode als Experte eingeladen, sagte in Richtung Skeptiker: „Das Thema der strukturierten, der organisierten Partizipation findet sich an vielen verschiedenen Stellen dieses Textes, insbesondere unter zweierlei Rücksicht. Einerseits haben die Bischöfe eine Verantwortung, nicht alles an sich zu ziehen, sondern genau diese Prozesse der Beteiligung zu initiieren und damit auch einfach Macht abzugeben und Verantwortung zu teilen. Die andere Seite liegt bei all denjenigen, die sich jetzt für diese katholische Kirche engagieren. Jetzt gibt es neue Möglichkeiten, diese müssen gestärkt werden. Bitte bringt euch ein!“

Die in Linz lehrende Pastoraltheologin Clara-Antonia Csiszar, ebenfalls Synodenteilnehmerin (allerdings nicht stimmberechtigt), äußerte die Überzeugung, es sei künftig noch wichtiger, „vom Ich zum Wir zu kommen“: Die einen wollten die Lehre unter keinen Umständen ändern, die anderen schauten auf die „Zeichen der Zeit“. Für eine echte Erneuerung der Kirche brauche man aber sowohl den „kairologischen“ wie auch den „kriteriologischen“ Teil: „Die große Herausforderung wird sein, wie diese zwei Zugänge aufeinander zugehen, um eine gute Zukunft für die Kirche zu bekommen.“ Ihr Fazit: „Wandel passiert, indem wir einander zuhören und nicht, indem wir immer alles besser wissen, wie es dem anderen geht.“

"Epochaler Schritt für die Weltkirche"

Ihre Wiener Kollegin Regina Polak sprach im ORF von einem „epochalen Schritt“ für die Weltkirche: „Ich sehe da einen Gesinnungswandel und ein Selbst-Commitment zur Veränderung“. Sie lobte auch das Schlussdokument: „Es sind alle Themen aus den Kontinental-Synoden drinnen“. Darin sieht sie auch „ein Bekenntnis“: „daran wirklich weiterzuarbeiten“. Der nächste wichtige Schritt bestehe darin, dass jetzt eine „Zeit der Unterscheidung folgt“. „Der springende Punkt“, so Polak, „ist: Wird es gelingen, diese Erfahrung, die die Bischöfe dort gemacht haben, jetzt auch in den einzelnen Diözesen in der Ortskirche nachvollziehbar zu machen und die entsprechenden Strukturen zu schaffen, dass auch hier wirklich alle einbezogen werden - und vor allen Dingen auch die theologische und die geistliche Unterscheidung fortgeht, damit 2024 Entscheidungen kommen müssen.“

All das, was in den letzten Monaten und Wochen auf nationaler und kontinentaler Ebene und jetzt im Vatikan beraten wurde, sämtliche Texte, Dokumente und Videos, sind hinterlegt und in mehreren Sprachen auf dieser Website einsehbar. Diese Seite wird laufend aktualisiert. Ein flüchtiger Blick lohnt ebenso wie fundierte Recherche.

Bild 1: SJ, Vivian Richard

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