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"Ein Diakon muss im Hier und Jetzt leben"

Die beiden Jesuiten Pascal Meyer und Fabian Retschke sind am 11. November 2023 von Weihbischof Luis Manuel Alí Herrera zu Diakonen geweiht worden. Die Weihe fand in der Kirche San Ignacio de Loyola in Kolumbiens Hauptstadt Bogotá statt. Im Interview erklären beide, was sie mit der Weihe verbinden und wie sie diese mit Leben füllen wollen.

Was bedeutet Ihnen die Weihe zum Diakon mit Blick auf Ihre Berufung? 

Pascal Meyer: Unter Papst Franziskus begann ein neuer Stil innerhalb der Kirche, welcher insbesondere durch eine kritische Bewertung der Kleriker und deren Kompetenzen und Machtfülle geprägt ist – Stichwort: Klerikalismus. In so einer Zeit ist es womöglich merkwürdig, sich überhaupt für die Diakon- und Priesterausbildung zu begeistern. Denn unsere Erfahrungen und inneren Bilder zum Diakonat sind oftmals mit einem Stil verbunden, der insbesondere im deutschen Sprachraum hinterfragt wird: der Diakon als Kleriker, der Diakon als Vorstufe zum Priester, der Diakon als Teil einer Gruppe geweihter Männer, der Diakon als ein Amt, das wir in der katholischen Kirche den Frauen – trotz biblischer Gegenzeugnisse – vorenthalten. 

Fabian Retschke: Wichtig finde ich nicht so sehr das Ereignis selbst, sondern dass die Kirche ihrem diakonischen Grundauftrag nachkommt, im besten Sinne des Wortes "Dienstleisterin" ist, und hoffentlich kann ich etwas Nützliches dazu beitragen. Das Diakonat verkörpern ständige Diakone wohl authentischer. Wenn wir Ämter von Befugnissen und nicht von der Funktion in der Sendung Jesu her denken, haben wir schon verloren. Wichtiger ist mir darum die ständige Wandlung, die Gottes Geist in mir bewirkt, weit über die Weihe hinaus. Diese ist selbstverständlich ein bewusstes Bekenntnis zur konkreten, amtlich verfassten Kirche und gerade darum keine persönliche Auszeichnung. Ich empfange die Weihe dankbar und in geschenkter Gelassenheit. 

Meyer: Für mich ist es wichtig, dass ich auch meinen ganz persönlichen Stil in dieses Amt hineinlege. In anderen Worten möchte ich Diakon sein für die Menschen unserer Zeit in ihrer Realität, und nicht ein Diakon gemäß Vorbildern einer verklärten Vergangenheit, die womöglich von nachfolgenden Generationen idealisiert und beschönigt wurde. Ein Diakon muss im Hier und Jetzt leben und mutig – wie beispielsweise der Heilige Stephanus oder Laurentius – das Evangelium und die Nöte unserer Zeit gleichermaßen im Blick behalten. Das bedeutet für mich weder eine Unterwerfung unter die neuesten Moden und Trends, noch ein blinder Diener einer vorkonziliaren Kirche zu sein. 

Wie verlief rückblickend die Vorbereitung auf die Weihe? 

Retschke: Der wichtigste Moment der Vorbereitung ist der Arrupe-Monat, den wir zu Jahresbeginn in El Salvador erlebt haben. Das ist ein Rahmen zur geistlichen Hinführung, der ganz menschlichen und wesentlichen Fragen hinsichtlich der lebendigen Gestaltung geweihten und priesterlichen Lebens als Jesuit einen Raum gibt. Dieser persönliche Zugang wiederum ist das Entscheidende, sämtliche Organisation ist dann schnell erledigt. Überraschend war vor allem, wie schnell diese letzten Monate gefühlt vergingen. 

Meyer: In Lateinamerika hat die Realität der Menschen – insbesondere der Ausgegrenzten, Heimatlosen und Entrechteten – einen besonderen Stellenwert innerhalb der Theologie. Wir können die Botschaft vom Reich Gottes nicht verkünden, wenn es sich ausschließlich um ein "Projekt" für das Leben nach dem Tod handelt. Ich wurde in Kolumbien in einer Weise geprägt, die mich stets aufmerksam und sensibel für die Wirklichkeiten unserer Zeit lässt. Nota bene: Es geht nicht nur um die wirtschaftlich Ärmsten innerhalb einer Gesellschaft, sondern auch um Menschen, die von den Ereignissen unserer Zeit schlicht überfordert werden, die sich unwohl fühlen ob der Gewalt und Zerrissenheit unserer Aktualität, Menschen auf der Suche nach "Mehr", oder auch gerade diejenigen, die im Glauben und Spiritualität allein gelassen wurden. 

Was können Sie diesen Menschen anbieten? 

Meyer: Hier Orientierung, Halt und Gemeinschaft zu bieten, Räume der Begegnung mit Gott zu schaffen, Brücken zu bauen zwischen zerstrittenen Parteien… ich denke darum muss es für Ordensleute im Allgemeinen und in besonderer Weise für einen Diakon gehen. Und diese Perspektive habe ich heute, weil ich durch meine Erfahrungen in Lateinamerika geprägt wurde. Damit hatte ich nicht gerechnet. 

Mit Blick nach vorn: Worauf freuen Sie sich, was möchten Sie mit der Weihe leben? 

Retschke: Die nächsten Monate bleiben geprägt von meiner theologischen Forschung. Natürlich möchte ich auch in Zukunft überall dort helfen und zu Diensten sein, wo es möglich ist, dann eben als Diakon. Wenn sich dabei auch Gelegenheiten für liturgische Einsätze ergeben, begrüße ich das.  

Meyer: Mir geht es darum, dass wir gerade auch als Diakone ein sichtbares Zeichen in unserer Gesellschaft abgeben: Wir dienen dem Volk Gottes. Dienen, nicht bedient werden. Die Sichtbarkeit ist deshalb wichtig für mich, weil sie andere Menschen inspirieren kann. Es kann Ansporn sein für andere junge Menschen, ebenfalls – auf ihre individuelle Weise – am Aufbau des Reiches Gottes unter uns beizutragen und sich mutig den Herausforderungen dieser Welt zu stellen.

Die Weihe in der Kirche San Ignacio de Loyola in Bogotá wurde live auf YouTube und Facebook übertragen und aufgezeichnet: @manzanajesuiticabogota

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