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Kolleg St. Blasien: Schulheimat für 50 geflüchtete Kinder aus der Ukraine

Seit über einem Jahr leistet das Kolleg St. Blasien eine außerordentliche Integrationsarbeit: Die Jesuitenschule nahm seit Beginn des russischen Angriffskriegs im Februar 2022 rund 50 ukrainische Schülerinnen und Schüler auf. Damit ist die Internatsschule eines der Gymnasien in Deutschland, die die meisten Flüchtlingskinder aus der Ukraine in ihren Schulbetrieb integriert haben. Angesichts des anhaltenden Krieges stellt sich nun die Frage, wie es mit den Kindern und Jugendlichen weitergeht.

Schon kurz nach Kriegsbeginn in der Ukraine kamen erste Familien mit Kindern in St. Blasien an. Inzwischen leben mehrere Hundert Ukrainerinnen und Ukrainer – meist Mütter mit ihren Kindern – in leer stehenden Kliniken des Luftkurorts im Schwarzwald.

Die Kollegsgemeinschaft der Jesuitenschule St. Blasien hat die Zugewanderten von Anfang an unterstützt und sich dabei an ihrem Leitbild orientiert: „Menschen mit anderen und für andere sein“ – ein Zitat des ehemaligen Generaloberen des Jesuitenordens Pedro Arrupe SJ. Auch dank der Unterstützung und Spenden durch das Erzbistum Freiburg, den Jesuitenorden und großherzige Altschüler konnte schnell und unbürokratisch gehandelt werden.

Anfangs ging es vor allem darum, einen geschützten Ort zum Ankommen und ein Stück Normalität mit einem geordneten Schulbetrieb zu bieten. Der große Vorteil des Kollegs war, dass die Internatsschule bereits Erfahrung bei der Integration von Schülerinnen und Schülern aus aller Welt besitzt. Schon seit 1994 besuchen internationale Schüler das Kolleg und erhalten im etablierten Modell der „Euroklasse“ gezielt Deutschunterricht. Darüber hinaus nehmen sie am regulären Unterricht ihrer gleichaltrigen Mitschüler teil. Dieses Angebot nuzen jährlich viele internationale Schülerinnen und Schüler.

In der Krisensituation hat das Kolleg dieses Konzept für die geflüchteten Kinder aus der Ukraine geöffnet, angepasst und ausgeweitet. Schüler-Patenschaften halfen den Kindern zudem, den deutschen Schulalltag kennenzulernen und sich in der neuen Lebenswelt zurechtzufinden.

Eine große Herausforderung stellte die Sprachbarriere dar. Gerade zu Beginn war es das zentrale Unterrichtsziel, die deutsche Sprache inklusive des neuen Alphabets zu lernen. Glücklicherweise konnten dabei einige russisch sprechende Schülerinnen und Schüler sowe eine Lehrerin vermitteln.

Das Lehrerkollegium bot zusätzlich Deutsch-Intensiv-Kurse an, auch für die ukrainischen Eltern, ergriff sonderpädagogische Maßnahmen und konzipierte eine Begleitbroschüre, die die deutsche Sprache zugänglicher und bildhafter darstellt.

Ging es anfangs vor allem darum, einen regelmäßigen Rahmen zu bieten, wurden die Kinder und Jugendlichen im zweiten Schritt an Abläufe und Regeln herangeführt. Zum Beispiel an die Sechs-Tage-Woche des Kollegs mit Samstagsunterricht, an Pünktlichkeit und eingeschränkte Handynutzung.

Am Schuljahresende im Sommer 2022 hatten sich verschiedene Lerngruppen nach Alter, Vorerfahrung und Entwicklung herausgebildet. Die Schulleitung beriet, für wen eine weitere gymnasiale Beschulung am Kolleg sinnvoll sein könnte.

So starteten im aktuellen Schuljahr 2022/23 rund 30 Schülerinnen und Schüler in den erweiterten Euroklassen. Kurz nach Schuljahresbeginn bat die benachbarte Haupt- und Realschule um Hilfe: Die Kollegsleitung entschied, eine eigene Willkommensklasse einzurichten, um zusätzlich knapp 20 Jugendlichen einen Platz zu bieten. Hierfür sprangen neue Hilfslehrkräfte ein.

Nachdem nun das erste volle Schuljahr langsam zu Ende geht, stellt das Kolleg unterschiedliche Entwicklungen fest: Generell haben sich viele ukrainische Schülerinnen und Schüler gut eingelebt und integriert. „Die meisten können inzwischen Alltagsdeutsch und verstehen einiges im Schulalltag“, berichtet Lehrerin Barbara O’Reilly. „Andere sind schon weiter und können längere Texte lesen, verstehen und selbst schreiben. Viele der Älteren können im Sommer die B1 oder B2 Prüfung am Goethe-Institut ablegen.“ Die Schülerinnen und Schüler in den Euroklassen nahmen auch an allen Klassenaktivitäten teil, inklusive Klassenfahrten, Besinnungstagen und Ausflügen.

Andererseits sind viele Schüler emotional belastet. Viele haben Traumata erfahren, die das Lernen, Ankommen und Einleben erschweren: Sie wollen zurück in ihre Heimat. Einige nehmen zusätzlich am Online-Unterricht der Ukraine teil, weshalb sie mehr Zeit benötigen.

Das Kolleg hält auch im kommenden Schuljahr weiter an seiner Verantwortung und seinem Rahmenangebot fest. Die Zahl der geflüchteten schulpflichtigen Kinder im Raum St. Blasien wird wohl vorerst weiter bei rund 100 bleiben. Die Willkommensklasse, in der die ukrainischen Schülerinnen und Schüler nur unter sich sind, soll aufgelöst werden. Stattdessen werden die Jugendlichen entweder in die Euroklassen integriert oder können andere, für sie besser geeignete Schulformen in der Region besuchen.

Wolfgang Mayer

Partner

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