Nürnberg – Nur einmal wird Jörg Alt am Montagabend Theologe. Der Jesuitenpater spricht von einer strukturellen Sünde und meint damit übermäßiges Vermögen in den Händen weniger. Das sei nicht vom Himmel gefallen, sondern Resultat einzelner bewusster Entscheidungen. Es brauche "strukturelle Erlösung", so Alt. Deshalb sei es "gut katholisch, dagegen anzustinken". Das hört sich nach Klassenkampf an. Doch die Buchvorstellung eines Diskussionsbandes zur Besteuerung von Reichtum im Nürnberger Caritas-Pirckheimer-Haus ist überraschend differenziert.
Das liegt vor allem an der Zusammensetzung des Podiums. Da sitzt Markus Meinzer, der mit dem "Tax Justice Network International" für mehr Steuern auf Vermögen eintritt, neben Kärim Chatti, der früher bei Großbanken war und heute bei einem Vermögensverwalter arbeitet, der in aufstrebende Firmen in Entwicklungsländern investiert. Oder Familienunternehmer Hubert-Ralph Schmitt, Vorstand einer unterfränkischen Privatbank, neben dem Kämmerer der Stadt Nürnberg, Harald Riedel (SPD).
Die Methode "Robin Hood", es den Reichen zu nehmen, um es den Armen zu geben, geht nicht nur über Steuern, das zeigt die Diskussion. Für Meinzer sind sie zwar "ein Segen". Aber helfen nicht auch jene Investments, die Chatti betreut? Vermögende legen Geld an, mit denen Unternehmen in Entwicklungsländern finanziert werden: Mikrofinanz, nur größer. Die Rendite liege für Investoren bei teils mehr als 20 Prozent, aber sorge auch für Entwicklung in den ärmeren Ländern, eine "doppelte Rendite".
Bankvorstand Schmitt dagegen überrascht mit dem Bekenntnis, für ihn seien Steuern nicht zu hoch, ja sie könnten sogar etwas höher sein. Doch Abgaben auf Vermögen, wie etwa die Erbschaftssteuer, seien ein Problem. Unternehmen würden leiden. Und Schmitt macht auch klar: Das Wort "Reichensteuer" ist für ihn "absolut unter jeglichem Niveau". Niemand rede auch von einer "Armengebühr", wenn es um Sozialleistungen gehe. In Deutschland sei es im Gegensatz zu den USA nicht schick, wenn man Geld habe.
Da ist sich der Banker mit Stadtkämmerer Riedel einig, der eigentlich gegen mehr Steuereinnahmen nichts einzuwenden hat. Aber Riedel will das Vermögen der Reichen auf eine andere Art nutzen: über Stiftungen. Da würde es helfen, wenn es schick wäre, über das eigene Vermögen offen zu reden. Der Kämmerer verweist auf die USA: 358,4 Milliarden Euro seien dort im Jahr 2014 durch solche Modelle zusammengekommen, eine Summe so hoch wie der Bundeshaushalt.
Riedel spricht von Warren Buffet, Bill Gates und deren öffentliches Stifter-Versprechen. Und davon, dass Stifter auch persönlich davon profitierten: "Sie sind glücklicher, zufriedener, leben länger, tun theoretisch ewig etwas Gutes." Auf dem Golfplatz oder im Rotary Club müsse es zum guten Ton werden, ein Stifter zu sein, so sein Credo.
Und doch bleibt Riedel Kämmerer; dann etwa, wenn der Geschäftsführer des Bundes Katholischer Unternehmer (BKU), Martin Wilde, davon spricht, dass die öffentliche Hand angesichts der Rekord-Steuerbilanzen kein Einnahmenproblem habe. Und als Steuergerechtigkeits-Aktivist Meinzer den internationalen Wettbewerb um niedrige Abgaben für Unternehmen als Steuerkrieg bezeichnet, verweist Banker Schmitt auf die Globalisierung, die es zu akzeptieren gelte.
All das wird nun in das internationale Forschungsprojekt von Jörg Alt einfließen, das sich mit Steuergerechtigkeit und Armut beschäftigt. Das Buch "Wer hat, dem wird gegeben?" mit Beiträgen von Ethikern, Empirikern und Praktikern, das er und sein Mitbruder Patrick Zoll herausgegeben haben, ist da auch nur ein Zwischenstand. Im Oktober sollen Endergebnisse präsentiert werden.
Einig sind sich die Podiumsteilnehmer am Montagabend dann aber, wenn es um einen Vorschlag geht, den laut Alt der emeritierte Papst Benedikt XVI. gemacht hat: Jeder Steuerzahler dürfe selbst entscheiden, wofür seine Zahlungen verwendet werden sollen. Alle sagen hier ganz klar "nein": Die Hoheit über die Verwendung habe Staat, alles andere wäre für sie undemokratisch.