Im Interview erklärt Fabian Moos SJ, warum die Jesuiten bei der Weltklimakonferenz COP29 die Gerechtigkeit in den Mittelpunkt gestellt haben, wie sich die Kirche einbringen kann und warum auch der nächste US-Präsident Donald Trump nicht alles wieder rückgängig machen kann. Fabian Moos arbeitet am Ukama-Zentrum für sozial-ökologische Transformation in Nürnberg.
Wir reden seit vielen Jahren über Klimaschutz und die erforderlichen Maßnahmen, aber mit Blick auf die weltweiten Treibhausgase tut sich eigentlich nichts, oder?
Es gibt Reduktionen in bestimmten Bereichen und je nachdem, wie man rechnet, auch bei uns, aber global gesehen steigen die Emissionen weiter und das ist fatal. Weltweit gibt es etwa 200 neue Megaprojekte der fossilen Energiegewinnung. Der Run auf das letzte Stück des „Kuchens“ ist ausgebrochen. Es ist katastrophal, dass sich die Staaten nicht auf einen rapiden Ausstieg aus fossiler Energie einigen und dass es nach wie vor möglich ist, in den fossilen Ausbau zu investieren. Dafür bräuchte es dringend ein Memorandum.
Inger Andersen, Chefin des UN-Umweltprogramms UNEP, hat bei der Vorstellung des aktuellen Treibhausgas-Berichts gesagt: „Im Wesentlichen bräuchten wir eine globale Mobilisierung in einem noch nie dagewesenen Ausmaß und Tempo.“ Ein kleines Wunder also, kann die Kirche da helfen?
Ja, und sie hat eigentlich gute Mittel dazu. In allen Bereichen des sozial-ökologischen Wandels kann und soll sich Kirche einbringen, sowohl lokal als auch global. Und sie tut es auch vielfach. Das Problem ist allerdings, dass es extrem reiche und einflussreiche Menschen gibt, die sich dem Wandel effektiv in den Weg stellen, weil sie persönlich finanziell davon profitieren. Sie spielen mit unser aller Zukunft. Bei all dem Guten, was bereits passiert, stecken wir daher trotzdem in einer Sackgasse fest. Papst Franziskus hat schon anlässlich der COP28 davon geschrieben, dass es andere Instrumente der internationalen Politik braucht, weil das mit den COPs wohl auf lange Sicht nichts wird, und die Zeit drängt immer mehr. Vielleicht sollte sich Kirche noch viel mutiger in einem „Multilateralismus von unten“ einbringen, in synodale Prozesse des Wandels von unten, und auch mit anderen Playern auf politische Hebel abzielen, um etwas zu verändern. Der Wunderglaube, den wir brauchen, ist letztlich ein Glaube an die Menschen, an ihre Fähigkeit zu kreativen Antworten auf die Krise, und ein trotziges Festhalten daran, dass noch nicht Hopfen und Malz verloren sind, sondern sich jeder Einsatz für das Gute lohnt. Wunder gibt es, aber auch sie fallen quasi nicht vom Himmel, sondern sie brauchen unser mutiges Mitwirken.
Jesuiten engagieren sich weltweit für den Klimaschutz. Was fordert die Initiative Jesuits for Climate Justice von den Teilnehmern der COP29?
Es sind drei Forderungen: Den sogenannten „Loss and Damage Fund“ wirksam zu machen, Schuldenerlass für arme Länder und eine gerechte Energiewende. Der „Loss and Damage Fund“ soll ärmeren Ländern helfen, mit den massiven Folgen der Klimakatastrophe umzugehen, die sich bei ihnen besonders stark auswirken, obwohl sie am wenigsten dazu beigetragen haben. Der Schuldenerlass für arme Länder gilt als wichtiger Hebel, um sie überhaupt handlungsfähig zu machen in Richtung Klimaanpassung und Klimaschutz, sonst sind sie nur mit dem Abarbeiten der Schulden beschäftigt. Die gerechte Energiewende ist schließlich ein Begriff dafür, dass bei der Energiewende hin zu erneuerbaren Energien nicht Profite von Unternehmen, sondern soziale Faktoren im Zentrum stehen, etwa die Rechte von Indigenen. Alle drei Punkte sind fundamentale Gerechtigkeitsfragen, die sich dadurch erklären, dass wir Jesuiten ein weltweiter Orden sind, in engem Kontakt mit Playern des globalen Südens liegen und uns die Verbindung von Glaube und Gerechtigkeit in die DNA geschrieben ist.
Zusammen mit weiteren Jesuiten haben Sie zur Weltklimakonferenz in Baku einen Gebetsleitfaden veröffentlicht. Kann beten angesichts handfester Herausforderungen für unseren Planeten wirklich helfen?
Das haben wir letztes Jahr zum ersten Mal gemacht, mit einer überwältigenden Resonanz. Damals waren wir zu zweit, dieses Jahr steckt ein größeres europäisches Team hinter dem Text, was mich sehr freut. Ich sehe den Nutzen auf zwei Ebenen: Zum einen befasst man sich durch die Gebetsimpulse mit den jeweiligen Tagesthemen der COP, lernt etwas dazu und fiebert gewissermaßen mit. Zum anderen erneuert man sein Vertrauen in Gott und ja, ich glaube, dass das einen Unterschied macht in der Welt. Das kann man nicht messen, und dennoch macht es einen Unterschied.
Sehen Sie neben den konkreten Forderungen einen besonderen Beitrag, den Christen in der Debatte um den Klimaschutz leisten können?
Christinnen und Christen waren bei vielen politischen Veränderungen eine wichtige Stimme. Denken Sie nur an die sogenannte Friedliche Revolution in der ehemaligen DDR, wo die Kirchen Orte des gewaltlosen Widerstands und des gemeinsamen Lernens waren. Ich glaube, dass alle Bereiche unserer „Taufgnade“ relevant sind: das Priesterliche, also das Gebet, die Begleitung von Menschen, die Dankbarkeit für das Gute in der Schöpfung und in anderen Menschen. Ebenso das Prophetische, sprich der Widerstand gegen Ungerechtigkeit und das gewaltlose und mutige Bearbeiten von inneren und äußeren Konflikten. Zudem das Königliche, also die Verantwortungsübernahme in den Bereichen, in denen ich Macht habe, vom Lebensstil über den Beruf und das Ehrenamt bis zum politischen Bereich. Eine besondere Rolle spielt außerdem die Option für die Armen. Wir sollten vom Glauben her auf keinen Fall eine rein technologische Vision des Wandels haben, sondern konsequent darauf hinwirken, dass die Stimme der Ärmsten gehört und beachtet wird, global gesehen und hier bei uns. Denn Christus ist in den Armen und Ausgegrenzten. Ich denke, wenn wir die Option für die Armen und die Option für Gewaltlosigkeit konsequent leben würden, könnten wir viel bewirken.
Bei der Weltklimakonferenz COP29 steht die Klimafinanzierung im Mittelpunkt. Für Klimaschutz und nötige Anpassungen beispielsweise in Entwicklungsländern und im globalen Süden, der stärker betroffen ist, gab es bereits Vereinbarungen über jährlich 100 Milliarden US-Dollar. Warum ist das nicht ausreichend?
Es hat zunächst mal bis 2022 gedauert, bis die Gelder wirklich in dieser Höhe geflossen sind. Zudem sagt der aktuelle Bericht des Standing Committee on Finance des Klimarahmenabkommens der UN ganz klar, dass die ärmeren Länder bis 2030 einen Finanzbedarf von 5 bis 6,8 Billionen Dollar haben, um sich an die Klimakatastrophe anzupassen und Klimaschutz zu betreiben, also etwa selbst resiliente und nachhaltige Energiesysteme aufzubauen. Gefordert wird aktuell eine Summe von mindestens einer Billion pro Jahr, also eine Verzehnfachung der Summe. Hinzu kommt, dass bisher mehrheitlich Kredite gewährt wurden. Was die Länder fordern, sind aber vor allem Schenkungen, denn sonst werden sie nur noch tiefer in die Schuldenspirale getrieben. Das wird ein sehr heißes Eisen, und derzeit sieht es überhaupt nicht so aus, dass daraus etwas wird. Aber ich halte es für fundamental wichtig, denn für manche Inselstaaten etwa hängt an diesen Geldern schlicht die Frage, ob sie überleben werden oder nicht. Länder wie Deutschland haben hier auch eine historische Verantwortung, denn die Erwirtschaftung unseres Wohlstands fußte und fußt ja wesentlich auf fossiler Energie und CO2-Emissionen.
Haben Sie Hoffnung, dass die Weltgemeinschaft in Baku einen Schritt weiterkommt, oder ist das Beste an der Konferenz bereits, dass das Thema mal wieder mehr Aufmerksamkeit erhält?
Auf der einen Seite ist es gut, dass das Thema wieder mal auf den Tisch kommt, medial präsent ist, dass einiger Druck von unten kommen wird, denn es werden sich anlässlich der COP ja auch viele NGOs und aktivistische Gruppen zu Wort melden. Gleichzeitig ist ein Trauerspiel vorprogrammiert, denn das geht jetzt schon seit Jahrzehnten so und wir kommen nicht wirklich voran. Die Hoffnung liegt für mich eher darin, dass der Wandel von unten schon vielerorts passiert und immer mehr Fahrt aufnimmt. Selbst ein Trump kann den nicht einfach stoppen. Wir verlieren natürlich mit jeder Fehlentscheidung und jedem Aufschieben wichtige Jahre auf dem Weg einer sozial-ökologischen Transformation. Also einen Meilenstein wie in Paris 2015 erwarte ich für Baku nicht, auch weil mit Aserbaidschan zum dritten Mal in Folge ein Ölförderstaat die Veranstaltung hostet. Dieser dürfte wenig Interesse an ambitionierten Zielen haben. Aber wenn es gut läuft, gibt es doch immerhin einen Baustein, auf dem später mal wieder ein Meilenstein aufbauen kann.
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