Welche Knautschzone hat ein Esel?

Der Palmsonntag ist der letzte Fastensonntag und zugleich erste Tag der Karwoche. Sebastian Maly SJ begleitet uns in dieser Karwoche bis hin zu Ostern und schaut, was die Tage des Leidens und der Auferstehung Jesu mit uns zu tun haben. Es beginnt mit dem Palmsonntag, der an den Einzug Jesu in Jerusalem erinnert.

Der Einzug Jesu in Jerusalem: Da reitet einer nicht hoch zu Ross, sondern auf einem Esel in die Stadt hinein wie. Der Esel ist zurzeit Jesu ein Transport- oder Fortbewegungsmittel, das für den Alltag und für friedliche Zeiten steht. Wäre Jesus stattdessen hoch zu Ross in die Stadt eingeritten, dann hätte er damit Macht, Abstand und Kampfesbereitschaft signalisiert. Jesus kommt also nicht mit dem SUV oder der Limousine, sondern mit einem alten Opel Corsa oder mit dem Fahrrad. Beides hat keine große Knautschzone und die Insassen sind bei Unfällen verletzbarer als in anderen Transportmitteln. Der Retter der Welt setzt sich dem wie auch immer gearteten Kontakt mit ihr aus – in Corona-Zeiten können wir nachvollziehen, welches Risiko damit verbunden ist.

So berührbar und unspektakulär sich Jesus bei seinem Einzug gibt: die Menschen bereiten ihm einen großen Empfang. Würden wir Ihn heute bei seinem Einzug in unsere Stadt erkennen? Und mit welchen Erwartungen würden wir Ihn begrüßen? Der aus Würzburg stammende israelische Dichter  Yehuda Amichai erzählt folgende Geschichte aus Jerusalem: „Einst saß ich auf den Stufen bei einem Tor am Davidsturm, ich stellte meine beiden schweren Körbe an meiner Seite nieder. Eine Gruppe von Touristen stand um ihren Führer und ich diente ihnen als Zielangabe. ‚Sehen Sie den Mann mit den Körben? Rechts von seinem Kopf ist ein Bogen aus der Römerzeit. Genau rechts von seinem Kopf. Aber er bewegt sich, er bewegt sich!‘ Ich sprach zu mir selbst: Die Erlösung wird erst kommen, wenn ihr Führer zu ihnen sagt: ‚Sehen Sie diesen Bogen aus der Römerzeit? Er ist nicht wichtig: aber daneben, links und ein Stück weiter unten, sitzt ein Mann, der Obst und Gemüse für seine Familie gekauft hat.‘“

Gott setzt sich dem Kontakt mit der Welt radikal aus, gibt sich berührbar, verletzbar, alltäglich – und das alles vor dem großen, die Welt verändernden Show-Down! Können wir das ertragen? Die Menschen damals haben ihn mit dem begrüßt, was gerade da war: die Palmwedel am Wegesrand, die Kleidung am Leib. Mehr braucht es nicht. Begrüßen wir ihn mit dem, was uns umgibt, was uns zuhanden ist, was gerade unser Leben ist.

Autor:

Sebastian Maly SJ

Sebastian Maly SJ wurde 1976 in Frankfurt am Main geboren. Nach Studien der Philosophie und Theologie in München, Münster und Jerusalem und einem Doktorat in Philosophie arbeitete er bis 2013 als Referent im Cusanuswerk, dem Begabtenförderungswerk der Katholischen Kirche in Deutschland. 2013 trat er in das Noviziat der Jesuiten in Nürnberg ein. Nach den Gelübden leitete er für zwei Jahre die außerschulische Jugendarbeit am Aloisiuskolleg in Bonn-Bad Godesberg und arbeitete anschließend bis 2022 als Schulseelsorger am Canisius-Kolleg in Berlin. Berufsbegleitend absolvierte er eine Ausbildung zum Systemischen Therapeuten (SG/DGSF). Am 6. Oktober 2018 ist er in Frankfurt zum Priester geweiht worden. Nach dem Ende des Tertiats in Südafrika zog er im Juli 2023 nach Uppsala (Schweden) um, um sich auf eine Tätigkeit am Newman Institut vorzubereiten.

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