Seit Valerio Ciriello SJ für das jährlich stattfindende Eco Summer Camp verantwortlich ist, hat sich sein Leben verändert. Wortwörtlich. Denn die Woche im Dienst der sozial-ökologischen Transformation transformiert auch jeden und jede persönlich. Das Camp ist eine multikulturelle Zusammenkunft von Jung und Alt aus diversen sozialen, akademischen und beruflichen Hintergründen und dennoch harmoniert es dort wie auf Knopfdruck. Denn: Auf dem Spiel steht die gemeinsame Gestaltung einer neuen Lebensweise, schreibt Valerio Ciriello in seinem Gastbeitrag zum diesjährigen Eco Summer Camp. Es hat vom 18. bis 25. August im Lassalle-Haus in Bad Schönbrunn stattgefunden.
Ich muss klar warnen. Wer denkt, beim Eco Summer Camp eine gelassene Woche verbringen zu können, wird sicherlich enttäuscht sein. Die Woche ist inhaltlich und emotional sehr intensiv. Der Tagesablauf ist streng getaktet: Wir fangen mit der Morgenmeditation um 7.30 Uhr an, anschließend gibt es Frühstück. Um 8.45 Uhr beginnt nach einer kurzen Übersicht über den Tag der substanzielle Vortrag des Tages. Nach dem Mittagessen geht es oft schon um 14 Uhr mit einem Workshop oder einem Kreisgespräch weiter, bevor kurz darauf ein weiterer Vortrag folgt. Um den inhaltlichen Teil des Tages abzuschließen, finden noch vor dem Abendessen in Kleingruppen die Reflexionsrunden statt. Danach folgt entweder ein Lagerfeuergespräch oder eine andere gemeinsame Aktivität und vor dem Schlafen noch eine beruhigende Yin-Yoga Meditation. Aber langsam.
Was ist das Eco Summer Camp?
Im Sinne der sozial-ökologischen Transformation will es eine transformative Woche sein, offen für alle Generationen. Das war nicht von Anfang an so, aber dank des Austausches mit diversen Expertinnen und Experten sind wir zu dem Schluss gekommen, dass genau dieser intergenerationelle Dialog eine Bereicherung für alle sein kann.
Begegnung auf Augenhöhe
Pädagogisch gesehen stützt sich das Eco Summer Camp auf einen holistischen Ansatz: Kopf, Herz und Hände. Methodologisch und didaktisch gesehen wird „Wissen“ durch klassische Vorträge, Kreisgespräche, Workshops und Reflexionsgruppen über- und vermittelt, jedoch auch durch Ausflüge, Lagerfeuergespräche und Podiumsgespräche. Dazu kommt, dass sich die Referierenden verpflichten, mindestens eine Nacht vor Ort im Lassalle-Haus zu verbringen, denn wir wollen die Begegnung auf Augenhöhe zwischen den Teilnehmenden und den Referierenden im Sinne einer Pädagogik der Begegnung fördern. Persönlich sind wir der Überzeugung, dass dies wirklich eines der wichtigsten Merkmale des Eco Summer Camps ist.
Diese Begegnungspädagogik hat viele Freundschaften entstehen lassen, aber auch berufliche Verbindungen wurden geknüpft. Es gibt immer wieder Teilnehmende, die bei einem unserer Veranstaltungspartner zum Beispiel ein Praktikum absolvieren. Erfreulich ist auch, wenn zwischen Referierenden gemeinsame Projekte angestoßen werden. Der fachliche Inhalt der Woche ist inter- und transdisziplinär ausgerichtet, denn dem Geiste des Eco Summer Camps entsprechend soll durch die breite fachliche Ausrichtung die geistige Öffnung aller Beteiligten begünstigt werden.
Gelebte Offenheit
Die ganze Woche ist in einen spirituellen Rahmen eingebettet. Alle Anwesenden sind dazu eingeladen, an den Morgen- und Abendmeditationen teilzunehmen. Am Morgen stehen drei Arten der Meditation zur Auswahl: ein christlicher Impuls, Mindfulness und Yoga. Zum Abschluss des Abends gab es zum ersten Mal in diesem Jahr das Angebot einer Yin-Yoga Meditation. Mindestens einmal in der Woche wird eine Eucharistiefeier zelebriert. Die Woche ist jedoch konfessionslos ausgerichtet und kann, wenn man so will, säkular wahrgenommen werden. Das ist sehr wichtig für uns. Das Eco Summer Camp ist inspiriert von der Enzyklika „Laudato Si‘“, die – „urbi et orbi“ – an alle Menschen auf der Welt adressiert ist, nicht nur an Katholiken. Nicht umsonst lädt Papst Franziskus alle ein, miteinander zu lernen, einen Weg zu gehen und zu finden, trotz unserer verschiedenen religiösen und weltanschaulichen Hintergründe.
Diese Offenheit und Freiheit wird von allen Beteiligten als maßgebend wahrgenommen. Vielleicht ist es auf diese Tatsache zurückzuführen, dass die Zahl von muslimischen Teilnehmenden stetig gestiegen ist. Vielleicht ist es auch aufgrund dieser gelebten Offenheit des Eco Summer Camps, dass die Teilnehmenden jedes Jahr aus mindestens vierzehn Ländern den Weg zum Camp finden. Bei durchschnittlich vierzig bis fünfzig Teilnehmenden ist das eine hohe Zahl.
„From wild consumption to responsible engagement“
Um zum inhaltlichen Teil des Eco Summer Camps zurückzukommen: Man könnte denken, dass das Eco Summer Camp jedes Jahr eine Kopie des Vorjahres ist. Das ist jedoch in keiner Hinsicht der Fall. Die Grundausrichtung der Woche ist immer „From wild consumption to responsible engagement“, aber die einzelnen Einheiten wechseln von Jahr zu Jahr. Jedes Mal versuchen wir, einen bestimmten Akzent zu setzen: Dieses Jahr haben wir das Thema „Agro-Ökologie“ gewählt. Eine Konstante des Eco Summer Camps ist der Ausflug zu einem unserer Veranstaltungspartner wie in diesem Jahr zu den Forschungslabs des Instituts für Umwelt und Natürliche Ressourcen der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften: sicherlich ein Höhepunkt der Woche.
Zum ersten Mal: Eco Summer Camp und Summer School
Eine der wichtigsten Neuerungen des diesjährigen Eco Summer Camps betrifft die Natur der Woche selbst. Seit diesem Jahr ist das Eco Summer Camp zugleich eine Summer School im akademischen Sinne. Dank der neuen Zusammenarbeit mit dem Newman-Institut in Uppsala konnten wir den Teilnehmenden anbieten, ganze vier ECTS-Punkte zu erwerben. Dieses Angebot ist besonders für Studierende verlockend und war bereits dieses Jahr ein Erfolg. Zum ersten Mal wurde das Eco Summer Camp in diesem Jahr aus wissenschaftlicher Sicht von einer Gruppe von Professoren und Forschern der Universitäten Luzern und Aachen durch qualitative Erhebungen untersucht. Ziel ist, festzustellen, ob diese Woche tatsächlich eine transformative Bewegung in den Teilnehmenden bewirkt.
Was brauche ich wirklich zum Leben?
Eins steht fest: Mein eigenes Leben hat sich durch die Verantwortung für das Eco Summer Camp verändert. Mir ist immer mehr bewusst geworden, dass Wasser predigen und Wein trinken nicht funktioniert. Ich versuche, so weit wie möglich, insbesondere meine Essgewohnheiten zu verändern. Dabei geht es mir vordergründig nicht darum, Vegetarier oder sogar Veganer zu werden, sondern mir darüber bewusst zu sein, was ich zum Leben brauche und was einfach nur „Völlerei“ ist. Meinen Süßigkeiten-Konsum habe ich um 80 Prozent reduziert. Ich esse nur zu den Mahlzeiten und auch viel zurückhaltender. Fakt ist: Im letzten Jahr bin ich von 82 kg auf 76 kg zurückgefallen – und dabei geht es mir viel besser. Ich habe auch auf den Konsum von Kaffee verzichtet, der für etwa drei Prozent der weltweiten CO2 Emissionen verantwortlich ist.
Hin zu einer Kultur des „enough“
Unter den ersten Rückmeldungen der Teilnehmenden war ein wiederkehrender Wunsch, in eine Kultur des „enough“ hineinzuwachsen. Persönlich bin ich begeistert von dieser Einsicht, denn das ist das Kernziel des Eco Summer Camps. Die sozial-ökologische Transformation werden wir nicht damit erreichen, ein Produkt durch ein anderes zu ersetzen, etwa Verbrenner- durch Elektroautos. Es geht darum, einen Kulturwandel herbeizuführen: vom individuellen Verkehrsmittel zum kollektiven oder öffentlichen Transportmittel. Nicht der Verzicht steht im Vordergrund, sondern die geistige Einsicht zu erlangen, sich endlich von einer echten Abhängigkeit zu befreien, welche auch immer das ist. Denn unser Konsumwahn ist die Basis des Klimawandels und der Umweltkrise. Daher kann man die großen Konzerne, die sicherlich auch ihre Verantwortung tragen, kritisieren solange man will. Aber dabei muss uns bewusst sein, dass sie nur so lange existieren können, wie es auch „brave“ Konsumenten an der Basis gibt. Solche Aspekte werden im Camp immer wieder thematisiert.
Abschließend lade ich alle Leserinnen und Leser ein, das Datum für das nächste Eco Summer Camp festzuhalten: Es wird 2025 vom 24. bis 31. August stattfinden. Weitere Neuerungen und spannende Inhalte sind zu erwarten!
Wir sind mittlerweile der Ansicht und haben die Zuversicht, dass der Zeitpunkt gekommen ist, das Format „Eco Summer Camp“ zu exportieren: zuerst europaweit und danach auch anderweitig. Erste Gespräche diesbezüglich laufen bereits.