Ostern – Leuchtende Wunden

Christen auf aller Welt feiern heute trotz allem die Auferstehung Jesu Christi. Sebastian Maly SJ hat uns in der Karwoche bis zum Osterfest begleitet und geschaut, was die Tage des Leidens und der Auferstehung Jesu mit uns zu tun haben. An Ostern schreibt er über leuchtende Wunden und ein Licht, das sich ausbreitet.

Die lichte Freude des Ostermorgens täuscht schnell darüber hinweg, dass die Geschehnisse rund um die Auferstehung Jesu in den neutestamentlichen Erzählungen zunächst mit Irritation, Furcht und Erschrecken verbunden sind: ein leeres Grab; Menschen, die außer sich sind und merkwürdige Ereignisse wie Erscheinungen berichten. Die Freude über die Erfahrung des Auferstandenen wird die Jünger*innen Jesu wohl erst nach einiger Zeit erfasst und durchdrungen haben.

Zu den berührendsten Auferstehungsgeschichten gehört die Begegnung zwischen Jesus und dem vermeintlich ungläubigen Thomas. Er lässt sich nicht sofort von der Euphorie der anderen Jünger*innen anstecken. Er will erst glauben, wenn er die Wunden sehen und berühren kann. Als ich im Noviziat mit einem Mitbruder auf den Spuren des Heiligen Franziskus von Assisi nach Rom pilgerte, kamen wir zu einem franziskanischen Heiligtum, dem Sacro Specco di Narni (südlich von Terni in Umbrien), wo eine Höhle gezeigt wird, die tief in den Fels hineinführt, in die sich der Heilige Franziskus tagelang zum Gebet zurückzog. Ein Franziskaner erklärte uns, was es damit auf sich hatte. Nach Mt 27,51 barsten die Felsen im Todesmoment Jesu. Für Franziskus war dies – im Rückgriff auf die Vorstellung von Jesus Christus als „Fels“ – ein Bild für die Seitenwunde Jesu. Das Hineingehen in die Felshöhle wurde ihm so ein Zugang zum Innersten Gottes, zum Herzen Jesu. Der symbolische Weg in die Wunden Jesu hinein ließ ihn auf die Heilung seiner eigenen Wunden hoffen wie es bei Jesaja heißt: „Aber er hat unsere Krankheit getragen und unsere Schmerzen auf sich geladen. [...] durch seine Wunden sind wir geheilt.“ (Jes 53,4-5)

Thomas war Franziskus vielleicht gar nicht so unähnlich. Er konnte sein Heil nicht von einem erwarten, der als aseptisch strahlender Held aus dem Grab hervorkommt. Vermutlich wusste er um die zutiefst menschliche Tendenz, das eigene Leid wie einen ungebetenen Anruf wegzudrücken, es vor sich selbst, vor anderen und vor Gott zu verstecken, weil es nicht zum Selbstbild passt. Dieser Jesus hatte aber etwas anderes vorgelebt: Kein Leid, ob groß oder klein, vermag uns von Gott zu trennen. Es kann uns sogar mit ihm verbinden, wenn wir es annehmen. Und so wusste er, dass er seinen Erlöser an dessen Wunden erkennt. Er wollte es nur mit eigenen Augen sehen. In der Osternacht spricht der Priester kurz vor dem Entzünden der Osterkerze: „Durch seine heiligen Wunden, die leuchten in Herrlichkeit, behüte uns und bewahre uns Christus, der Herr, Amen.“ Dieses milde Licht, das sich langsam und leise ausbreitet, kündet neues Leben: Alles darf da sein. Denn Gott wendet am Ende alles zum Guten. Das ist ein Trost und eine Freude, die lange anhalten.

Ihnen und allen Menschen, die zu Ihnen gehören, ein frohes und gesegnetes Osterfest!
Ihr Sebastian Maly SJ

Autor:

Sebastian Maly SJ

Sebastian Maly SJ wurde 1976 in Frankfurt am Main geboren. Nach Studien der Philosophie und Theologie in München, Münster und Jerusalem und einem Doktorat in Philosophie arbeitete er bis 2013 als Referent im Cusanuswerk, dem Begabtenförderungswerk der Katholischen Kirche in Deutschland. 2013 trat er in das Noviziat der Jesuiten in Nürnberg ein. Nach den Gelübden leitete er für zwei Jahre die außerschulische Jugendarbeit am Aloisiuskolleg in Bonn-Bad Godesberg und arbeitete anschließend bis 2022 als Schulseelsorger am Canisius-Kolleg in Berlin. Berufsbegleitend absolvierte er eine Ausbildung zum Systemischen Therapeuten (SG/DGSF). Am 6. Oktober 2018 ist er in Frankfurt zum Priester geweiht worden. Nach dem Ende des Tertiats in Südafrika zog er im Juli 2023 nach Uppsala (Schweden) um, um sich auf eine Tätigkeit am Newman Institut vorzubereiten.

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