• Äbtissin Mechthild Thürmer Foto: Marion Krüger-Hundrup

„Notfalls gehe ich in den Knast“

Sie hat Geflüchteten mehrfach Kirchenasyl gewährt. Deshalb muss sich Mutter Mechthild Thürmer aus der Abtei Kirchschletten am 28. Februar vor dem Amtsgericht Bamberg verantworten. Im Falle einer Verurteilung droht der Nonne eine empfindliche Freiheitsstrafe.

VON MARION KRÜGER-HUNDRUP im Fränkischer Tag

Seit Sommer 2020 hängt das Damoklesschwert eines Gerichtsprozesses über Mutter Mechthild Thürmer. Obwohl sich die Äbtissin der Benediktinerinnen- Abtei Maria Frieden in Kirchschletten nichts vorzuwerfen hat. Ich habe in absoluten Härtefällen so gehandelt, wie Jesus es auch getan hätte. Ich habe nichts falsch gemacht“, begründet die 64-jährige Nonne ihre Taten aus Gewissensgründen. Über 30 Mal gewährte sie in der Abtei Kirchenasyl. Und zwar Männern mit kaum vernarbten Wunden von Folterungen, nach Vergewaltigungen traumatisierten Frauen, Flüchtlingen, die die Höllentouren über das Mittelmeer gerade so überstanden hatten. Und die in Deutschland auf ein gerechtes Asylverfahren gehofft haben. Oft vergebens.

Denn auf Basis der Dublin- Regelung mussten sie mit Abschiebung in Staaten rechnen, die Flüchtlinge eher schlecht behandeln. „Ich bin froh und dankbar, helfen zu können, das ist meine Motivation“, sagt die Äbtissin, die auch nach Beendigung des Kirchenasyls Kontakt zu ihren Schützlingen hält.

 

Harte Konsequenzen drohen

„Alle sind noch in Deutschland“, weiß sie von Familienzusammenführungen oder Duldungen. Und sie weiß auch, dass ihr das Gefängnis droht, wenn das Urteil negativ ausfällt. „Notfalls gehe ich dann eben in den Knast“, sagt Mechthild Thürmer resolut.

Am kommenden Dienstag, 28. Februar, wird ihr ab 15.15 Uhr im Amtsgericht Bamberg wegen „Beihilfe zum unerlaubten Aufenthalt gemäß §§ 95 Abs.1 Nr. 2 AufenthG, 27 StGB“ der öffentliche Prozess gemacht. Dieser war ursprünglich schon für den 31. Juli 2020 anberaumt, wurde aber aus „prozessökonomischen Gründen abgesetzt“, wie der Gerichtssprecher damals erklärte. Es waren jedenfalls Ermittlungen in einem weiteren Fall von Kirchenasyl in der Abtei, die zur Verzögerung führ- ten. Das Gericht stellte der Äbtissin damals für den Fall einer Verurteilung eine „empfindliche Freiheitsstrafe“ in Aussicht.

Dass es nun überhaupt zu einer Hauptverhandlung vor dem Amtsgericht kommt, ist der Tatsache geschuldet, dass sich Mutter Mechthild weigerte, die im Strafbefehl der Staatsanwaltschaft Bamberg festgesetzte Geldstrafe von 2500 Euro zu bezahlen. Mit ihrem Münchner Rechtsanwalt Franz Bethäuser, der erfahren ist in Fällen von Kirchenasyl durch Ordensleute und Pfarrer, legte die Äbtissin Einspruch ein. „Ich wäre mir nicht ehrlich vorgekommen, die 2500 Euro zu bezahlen, nur um meine Ruhe zu haben.“ Bei aller Anspannung sei sie jetzt „voller Hoffnung, dass es gut ausgeht“, fügt sie hinzu. Auch ihr Anwalt Bethäuser erhofft sich ihren Freispruch, weil sie sich nicht strafbar gemacht habe, betont er. Letztlich werde aber der Richter entscheiden, nicht der Staatsanwalt, fügt Bethäuser hinzu.

 

Bamberg besonders rigide

Der Rechtsanwalt will unserer Zeitung nicht bestätigen, was in Unterstützerkreisen kursiert, nämlich dass die Staatsanwaltschaft in Bamberg besonders rigide gegen die Gewährung von Kirchenasyl vorgehe.

Der Nürnberger Jesuit Dieter Müller, stellvertretender Vorsitzender der „Ökumenischen Bundesarbeitsgemeinschaft Asyl in der Kirche“ und Koordinator Bayern, relativiert diesen Bamberg-Bezug: „Seit 2017 sind Staatsanwälte nur in Bayern gegen Kirchenasyl tätig, das gibt es in keinem anderen Bundesland.“ Bisher seien Hunderte Verfahren in solchen Fällen eingestellt worden, sagt Jesuitenbruder Dieter Müller, der Kirchenasyle und von Abschiebung bedrohte Menschen begleitet.

Äbtissin Thürmer sei nun eine der ersten Kirchenleute, gegen die eine noch diesbezügliche Anklage aufrechterhalten werde – trotz der Entscheidung des bayerischen Obersten Landgerichts München, dass die Gewährung von Kirchenasyl keine Straftat darstellt. Bereits mit Urteil vom 25. Februar 2022 hatte dieses Gericht im Fall von Bruder Abraham Sauer aus Münsterschwarzach klargestellt, dass unter bestimmten Voraussetzungen keine Beihilfe zu unerlaubtem Aufenthalt vorliegt. Daraufhin endete auch das Berufungsverfahren von Schwester Juliana Seelmann aus dem unterfränkischen Kloster Oberzell wegen einer Verwarnung mit Strafvorbehalt am 14. Juli 2022 mit einem Freispruch.

 

Rückenstärkung aus dem Vatikan

Warum kommt es jetzt dennoch zu der Verhandlung gegen die Äbtissin? Monika Englich, Sprecherin des Amtsgerichts Bamberg, gibt darauf folgende Antwort: „Die Staatsanwaltschaft Bamberg hat bereits vor der Entscheidung des bayerischen Obersten Landgerichts zum Kirchenasyl Anklage beim Amtsgericht erhoben. Das Verfahren ist deshalb vom zuständigen Strafrichter weiterzuführen und ein Verhandlungstermin anzuberaumen.“ Wer seitens der Staatsanwaltschaft Bamberg als Sitzungsvertreter an der Verhandlung teilnehmen werde, sei aktuell nicht bekannt, erklärt die Sprecherin.

„Eine Verurteilung hätte natürlich Auswirkungen auf die zukünftige Vorgehensweise bei der Gewährung von Kirchenasyl.“ HERWIG GÖSSL Diözesanadministrator Mutter Mechthild Thürmer ist inzwischen weit über die deutschen Grenzen hinweg als mutige Kämpferin für die tätige Nächstenliebe bekannt. Sogar aus dem Vatikan erhielt die Äbtissin dankbare Reaktionen. Auch der Bamberger Domberg stärkt ihr den Rücken, wie mehrfache Unterstützerbotschaften belegen. Zum bevorstehenden Verhandlungstag macht Diözesanadministrator Weihbischof Herwig Gössl unmissverständlich klar, dass Kirchenasyl nicht außerhalb des Rechtstaats stehe. Es werde im Rahmen einer Vereinbarung mit der Regierung gewährt, um in Härtefällen alle Möglichkeiten des Rechts auszunutzen.

Der Weihbischof befürchtet jedoch, dass ein rechtskräftiges Urteil eines Gerichts diese Vereinbarung infrage stellen könnte. „Dies hätte natürlich Auswirkungen auf die zukünftige Vorgehensweise bei der Gewährung von Kirchenasyl“, so Gössl. Da zeitgleich mit dem Gerichtstermin die Frühjahrs-Vollversammlung der Deutschen Bischofskonferenz in Dresden stattfindet, könne er leider nicht im Gerichtssaal dabei sein, bedauert der Weihbischof.

Bericht von MARION KRÜGER-HUNDRUP im Fränkischer Tag vom 23.02.2023

Hier erfahren Sie mehr über Kirchenasyl

Partner

Spenden

Das Magazin „Jesuiten“ erscheint mit Ausgaben für Deutschland, Österreich und die Schweiz. Bitte wählen Sie Ihre Region aus:

×
- ×