Gott bückt sich, um uns aufzurichten

Christen auf aller Welt erinnern an Gründonnerstag an die letzte Zusammenkunft Jesu mit seinen engsten Begleitern zu ihrem letzten gemeinsamen Mahl, dem Abendmahl, obwohl um ihn herum die Welt zusammenbricht und aus den Fugen gerät. Sebastian Maly SJ begleitet uns in dieser Karwoche bis hin zu Ostern und schaut, was die Tage des Leidens und der Auferstehung Jesu mit uns zu tun haben. An Gründonnerstag schreibt er über wahrscheinlich das unbeliebteste Körperteil.

In der Geschichte der christlichen Spiritualität gibt es so manche Entwicklungen, die uns Zeitgenoss*innen auf den ersten Blick fremd, vielleicht sogar abstoßend erscheinen. Dazu gehört die mittelalterliche Faszination für die Leiden Jesu. Hintergrund dieser Entwicklung war eine Sehnsucht nach der menschlichen, ja sogar allermenschlichsten Seite Jesu: seiner Leiblichkeit und Fleischlichkeit, mit der Gott sich solidarisch und mitfühlend mit unserer menschlichen Leiblichkeit zeigt, die Krankheit, Verfall, Pandemien ausgesetzt ist.

Am heutigen Gründonnerstag, an dem Christ*innen des letzten Abendmahls Jesu gedenken, drückt Jesus diese Mitleiblichkeit auf besondere Weise aus. Nach Johannes 13 beginnt das letzte Abendmahl damit, dass Jesus Petrus die Füße wäscht. Es ist nachvollziehbar, dass Petrus sich schwer damit tut, diese Geste von Jesus anzunehmen. Kein Zweifel, unsere Füße sind wichtig: Wir stehen auf ihnen. Sie tragen uns durchs Leben. Doch sie können auch treten. Und unsere menschlichen Füße gelten von alters her als wenig herzeigbare Körperteile. Sie tragen den Schmutz der Straße und des Alltags an sich und riechen unangenehm, wenn sie zulange in Schuhe eingepackt werden. In manchen Traditionen fließt die negative Energie im Menschen über die Füße in den Boden ab, weswegen es als unhöflich gilt, anderen die Fußsohlen entgegenzustrecken. Im arabischen Kulturraum gilt es als ein Zeichen der Verachtung, wenn man jemanden mit seinen Schuhen bewirft.

Noch ein anderes Sprachbild kommt hier in den Sinn: Wenn ich jemandem etwas zu Füßen lege, dann gebe ich es dieser Person hin. Sie kann darauf treten. Oder sie kann es aufheben und an ihr Herz drücken. Jesus wäscht seinen Jünger*innen die Füße. Der Retter der Welt legt sich uns zu Füßen. Er macht sich zerbrechlich, wie das Brot, das er austeilt. Wie nehme ich ihn auf?

Schließlich: Jesu Weisung an die Jünger*innen nach der Fußwaschung ist unmissverständlich: Tut aneinander und anderen, wie ich an Euch gehandelt habe! Gott bückt sich, um uns aufzurichten. Wenn wir diese Energie ‚von unten‘ aufnehmen, verwandelt sie uns. Wer so bereit ist, sich selbst zu anderen hinab zu beugen, schaut in die Augen Gottes und berührt das Menschliche.

Autor:

Sebastian Maly SJ

Sebastian Maly SJ wurde 1976 in Frankfurt am Main geboren. Nach Studien der Philosophie und Theologie in München, Münster und Jerusalem und einem Doktorat in Philosophie arbeitete er bis 2013 als Referent im Cusanuswerk, dem Begabtenförderungswerk der Katholischen Kirche in Deutschland. 2013 trat er in das Noviziat der Jesuiten in Nürnberg ein. Nach den Gelübden leitete er für zwei Jahre die außerschulische Jugendarbeit am Aloisiuskolleg in Bonn-Bad Godesberg und arbeitete anschließend bis 2022 als Schulseelsorger am Canisius-Kolleg in Berlin. Berufsbegleitend absolvierte er eine Ausbildung zum Systemischen Therapeuten (SG/DGSF). Am 6. Oktober 2018 ist er in Frankfurt zum Priester geweiht worden. Nach dem Ende des Tertiats in Südafrika zog er im Juli 2023 nach Uppsala (Schweden) um, um sich auf eine Tätigkeit am Newman Institut vorzubereiten.

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