Eine hundertjährige Mission – Einfluss der Jesuiten in China

Straßburg (KNA) - Wenn sich der chinesische Kaiser im Himmelstempel von Peking an sein Volk wandte, um Gutes oder Schreckliches zu verkünden, unterstrich ein spektakuläres Himmelsereignis - ein Gewitter oder eine Sonnenfinsternis - seine Worte. Ein Fehler im präzisen Ablauf dieses Rituals war gleichbedeutend mit dem politischen Ende des Kaisers. Mit einer aufwendigen Spielszene vom prunkvollen Auftritt des "Sohnes des Himmels", Kaiser Wanli, beginnt die zweiteilige Dokumentation "Die Jesuiten und die chinesische Astronomie" von Cedric Condon. Bekannte Historiker und Naturwissenschaftler erläutern die wichtigsten historischen Ereignisse. Arte strahlt Teil 1 der aufwendigen Dokumentation "Die Verbotene Stadt" am 28. Juli um 20.15 Uhr aus; im Anschluss folgt um 21.05 Uhr Teil 2: "Der Prozess".

Im Mittelpunkt steht der italienische Jesuitenmissionar Matteo Ricci. Er war im Alter von 18 Jahren in den Orden eingetreten und hatte in Rom Philosophie, Mathematik, Astronomie und Kosmografie studiert. In Asien entdeckte er die Astronomie der Chinesen, ihren Kalender und ihre weit entwickelten Instrumente. Bald wurde ihm klar, dass die Kunst der Zeitmessung und die Vorhersage von Himmelsereignissen die Grundlagen der kaiserlichen Autorität bildeten. 1601 bekam er die Erlaubnis, sich in Peking niederzulassen. Hundert Jahre später wurden die Jesuiten aufgrund ihres Bekehrungseifers wieder aus China verbannt.

Ricci fertigte 1601 eine Weltkarte an, in der China im Mittelpunkt stand. Er bat um die Erlaubnis, sie dem Kaiser zusammen mit einer mechanischen Uhr, Schnupftabak und einem Kruzifix als Geschenk senden zu dürfen. Das Geschenk öffnete Ricci und anderen Jesuiten, die inzwischen angekommen waren, die Türen zur "Verbotenen Stadt", erzählen Xiaochun Sun vom historischen Institut der Naturwissenschaften in Peking und weitere Experten.

Ricci sprach fließend chinesisch und trug die Kleidung der gebildeten Stände, um anerkannt zu werden. Es dauerte nicht lange, so erzählt Cedric Condon, der Autor und Regisseur des Films, bis er Verbündete in den Zirkeln der Macht fand. Der Mönch wollte dort seinem großen Ziel näherkommen, den Kaiser und mit ihm ganz China zum Christentum zu bekehren.

In der Blütezeit der chinesischen Astronomie arbeiteten im staatlichen Büro für Astronomie Peking bis zu tausend Personen in den drei Abteilungen zur Beobachtung des Himmels, zur Erstellung des offiziellen Kalenders sowie zur Bestimmung der Zeit. 1610, im Todesjahr Riccis, ereignete sich eine politische Katastrophe, als das kaiserliche astronomische Büro eine Sonnenfinsternis falsch vorhersagte. Der Kaiser, der "Sohn des Himmels", hatte dadurch in den Augen des Volkes das Mandat des Himmels verloren. Er beschloss daraufhin, die chinesischen Astronomen zu bestrafen und den Kalender nach westlichem Vorbild zu reformieren.

Im zweiten Teil, "Der Prozess", stößt der Bekehrungseifer der Jesuiten auf Widerstand. Der Jesuit und Astronom Adam Schall von Bell setzte das Werk Riccis fort. Die Dynastie der Mandschu, die inzwischen an der Macht war, bestellte für die Sonnenfinsternis am 1. September 1644 eine genaue Vorhersage. Schall von Bell, inzwischen Leiter des kaiserlichen astronomischen Instituts, war für die Berechnungen zuständig und nutzte die Arbeit an dem Kalender, um die Mission neu zu beleben. Als der Kaiser starb, fielen die Jesuiten endgültig in Ungnade. Schauprozesse wurden gefordert. Auch Schall von Bell wurde verhaftet, später aber begnadigt. Er starb 1644 in Peking; seine Arbeit wurde durch den flämischen Astronomen und Jesuitenmissionar Ferdinand Verbiest fortgeführt. Dieser starb 1688 in Peking, doch der von ihm reformierte Kalender gilt bis heute.

Der eindrucksvolle Dokumentarfilm vermittelt einen guten Eindruck vom hundertjährigen Wirken der Jesuiten in China und wirft ein Schlaglicht auf den Beginn des westlichen Einflusses. Der Beitrag liefert eine interessante und spannende Geschichtsstunde über wechselseitige Großmachtinteressen, die nicht wenige Bezüge zur aktuellen Entwicklung enthält.

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