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Durch Hochschulbildung Veränderung schaffen

Genf – „Wir müssen die Universitäten zu den Leuten bringen“, so lautet die Devise von Peter Balleis. Der 63-Jährige ist Leiter der Bildungsinitiative Jesuit Worldwide Learning (JWL) des katholischen Jesuitenordens. JWL vermittelt jungen Leuten in Entwicklungsländern, geografisch abgelegenen Regionen der Welt und in Flüchtlingslagern mithilfe von digitalem Lernen eine weiterführende Bildung und eröffnet ihnen damit eine ganz neue Perspektive. Vor allem in Zeiten von Corona hat sich das Lernkonzept von JWL bewährt – so sehr, dass sich mittlerweile sogar deutsche Lehrer daran orientieren.

„Als im März plötzlich der Shutdown kam, wurden Lehrer in Deutschland quasi über Nacht damit beauftragt, Online-Unterricht zu machen“, so Balleis. Dass viele aufgrund mangelnder Erfahrung mit dieser Aufgabe überfordert waren, sei kaum zu übersehen gewesen. Der Jesuit hingegen kann mittlerweile auf rund zehn Jahre E-Learning zurückblicken – und zwar nicht in einem fortschrittlichen Land wie der Bundesrepublik, sondern in abgelegenen Dörfern, in denen der Zugang zum Internet lange Zeit eine der größten Hürden war. Schon seit 2010 bauen die Jesuiten weltweit ein Netz von Zentren höherer Bildung in den ärmsten Regionen der Welt aus.

Angefangen habe alles mit einem Pilotprojekt im Flüchtlingslager Dzaleka in Malawi und im Flüchtlingscamp Kakuma in Nordwest-Kenia. „Ziel war es, jungen Menschen von unterschiedlicher Herkunft und Religion durch ,blended online learning‘ – eine Kombination aus Online-Kursen und Präsenzveranstaltungen – Chancen auf ein Studium zu ermöglichen“, erklärt Balleis.

Erst gab es ein Diplom in „Liberal Arts“, das auf ein späteres Studium vorbereitet. In diesem Grundstudium gehe es hauptsächlich um humanwissenschaftliche Bildung. „Wichtig für den Einstieg ist kritisches und politisches Denken. Die Studierenden müssen lernen, Dinge zu hinterfragen“, betont Balleis. Hinzu kamen dann Kurse in Lehrmittel- und Sportpädagogik, in Englisch sowie in Mediation. Später auch Bachelor-Lehrgänge, etwa in nachhaltiger Entwicklung, in Betriebsadministration und Betriebsmanagement sowie in der Kunst der Führung. Dabei kooperiert das Bildungsprogramm JWL immer mit Universitäten aus den USA, Europa und Indien. Sie akkreditieren die Studenten, stellen die Lehrpläne und vergeben schließlich auch die Credits für den jeweiligen Abschluss.

„Dozenten der Unis unterrichten jeweils 15 Personen im sogenannten virtuellen Klassenzimmer oder liefern Lehrmaterial digital an die Laptops der Studierenden“, erklärt Balleis. Gleichzeitig gebe es Lehrbeauftragte, die den Studierenden vor Ort zur Seite stehen und sie unterstützen. Partnerorganisationen und NGOs sorgen für die notwendige Infrastruktur in den Ländern, dazu gehört, die Studierenden mit der nötigen Technik auszustatten und Klassenzimmer mit Internetzugang bereitzustellen. Die Kosten für das Studium werden zwischen den Universitäten, Partnern vor Ort, Stiftungen, Spenden des Jesuitenordens und den Studierenden selbst geteilt, wobei für Studierende in Flüchtlingslagern keine Kosten anfallen.

Aktuell profitieren an 17 Standorten über 4 000 Studenten von den JWL-Programmen: in Asien, in Afrika, im Nahen Osten und seit Neuestem auch im Amazonas. „Unsere Vision ist es, durch die Ausbildung der jungen Leute vor Ort langfristig Veränderung zu schaffen“, sagt Balleis. In Krisengebieten sei Bildung die einzige Option für ein besseres Leben und die einzige Option, die Lage in den Heimatländern zu verändern.

Besonders stolz ist Balleis auf junge Frauen aus dem Irak und aus Afghanistan, die in äußerst konfliktbedrohten Regionen an ihrem Diplom arbeiten. „Insgesamt sind 58 Prozent unserer Studierenden weiblich“, berichtet der Jesuit. Es sei allerdings zu beobachten, dass Frauen eher für das Englischsprachprogramm sowie die berufsorientierten Kurse eingeschrieben sind. Im Bachelorstudium liege der Anteil der Studentinnen demnach nur bei etwa 40 Prozent und auch in Afrika sei der Frauenanteil nach wie vor niedrig. „Wir versuchen jetzt, in den afrikanischen Gegenden aktiv zu werden, um eine bessere Genderbalance zu erreichen“, kündigt der 63-Jährige an.

Anders als etwa in vielen Schulen Deutschlands konnte der Unterricht in den Entwicklungsländern auch während der Corona-Krise ohne größere Unterbrechungen fortgeführt werden, schildert Balleis die derzeitige Situation. „Die Kurse liefen online weiter. Der einzige Unterschied war, dass die Lernenden nicht mehr zu den Präsenzveranstaltungen zusammenkommen konnten.“ Stattdessen hätten sich die jungen Leute über Whatsapp vernetzt, um so miteinander zu kommunizieren.

 „Die Corona-Pandemie hat uns noch einmal deutlich vor Augen geführt, welche Vorteile das E-Learning mit sich bringt“, betont Balleis. Im Normalfall genüge es aber nicht, einen Schüler einfach vor einen Laptop zu setzen. „Man muss mit den Studierenden interagieren, sie begleiten“, weiß der Jesuit aus Erfahrung. Diese Erfahrung, die er mit JWL vorweisen kann, möchte er nun auch an deutsche Lehrer weitergeben. Mit „e-Education-Tools – Digitale Lehr-Lernmethoden“ bietet JWL in Kooperation mit der Universität Eichstätt in Ingolstadt einen 40-stündigen Kurs für deutsches Lehrpersonal an. Wöchentlich wird ein konkretes Unterrichtskonzept für den Einsatz eines der vorgestellten Tools in der Unterrichtspraxis erarbeitet, anschließend ausprobiert und schließlich durch eine Reflexion und Feedback durch den Online-Betreuer konstruktiv weiterentwickelt. Anschließend erhalten die Teilnehmer eine Teilnahmebestätigung.

Die Fortbildung kommt laut Balleis gut an: „Mehr als 600 Lehrer haben bereits teilgenommen.“ Künftig soll der Kurs auch auf Englisch angeboten werden. Wenn digitales Unterrichten in Entwicklungsländern funktioniere, „dann sollte es in Deutschland doch erst recht möglich sein“, meint Balleis.

Von Janina Fortenbacher

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