Die US-amerikanische Regierung hat jüngst bis auf Weiteres alle Auslandshilfen ausgesetzt. Michael Schöpf SJ berichtet, dass der internationale Jesuiten-Flüchtlingsdienst JRS am 24. Januar einen Brief von der US-amerikanischen Regierung erhalten habe, in dem mitgeteilt wurde, dass alle von ihr finanzierten Projekte sofort eingefroren werden müssen. „Das betrifft neun Projekte in ebenso vielen Ländern mit einem jährlichen Gesamtvolumen von 18 Millionen Dollar“, sagt Bruder Schöpf im Interview mit Vatican News.
„Im Irak arbeiten wir mit traumatisierten Menschen, die einen Genozid überlebt haben. Wie soll man denen erklären, dass es am Montag niemanden mehr gibt, der mit ihnen spricht? Die Art und Weise, wie diese neue Politik umgesetzt wird, bedeutet einen plötzlichen, abrupten Einschnitt. Das Leben von mehr als 100.000 Geflüchteten wurde von einem Tag auf den anderen zum Stillstand gebracht“, erklärt Bruder Schöpf.
„Eine Politik, die nicht mehr wertebasiert entscheidet.“
Weil auch andere Partner betroffen sind, die ebenfalls Mittel aus den USA erhalten haben, erwartet er eine zweite Welle an Folgen. „Gleichzeitig steht die übergeordnete Frage im Raum: Wie geht es weiter, wenn diese Mittel dauerhaft wegfallen?“ Zwar könnten die EU und einzelne Länder ihre Budgets ein Stück weit aufstocken. Aber der Anteil der USA an den weltweiten Entwicklungsgeldern liege bei rund 40 Prozent. Dafür gebe es keinen vollständigen Ersatz. „Deshalb sind die Auswirkungen nicht nur auf der Projektebene zu spüren. Sie betreffen auch die grundlegende Frage, wie sich unsere Weltordnung verändert – hin zu einer Politik, die nicht mehr wertebasiert entscheidet.“
Vergabe von Mitteln künftig stärker an Interessen geknüpft
Für Michael Schöpf zeigt dieser Umgang mit Entwicklungsgeldern und Flüchtlingsprogrammen, dass die Vergabe von Mitteln künftig stärker an US-amerikanische Interessen geknüpft werde. „Das bedeutet, wir treten in eine neue Weltordnung ein – meine Kollegen in Washington nennen sie ,transactional'. Wer nichts zum Verhandlungstisch mitbringen kann, zählt nichts und hat keinen Platz am Tisch. Geflüchtete erleben das besonders deutlich, weil sie zu den Gruppen gehören, die nichts Materielles als Gegenleistung bieten können. Die entscheidende Frage ist: Welche Rolle spielt die menschliche Würde in dieser neuen Ordnung? Die unterschwellige Botschaft lautet: „Ich bin mehr wert als du.“ Wer nichts beitragen kann, was den eigenen Interessen dient, gilt als wertlos.“
jesuitenweltweit unterstützt Notfall-Appell des JRS
Angesichts der aktuelle Notsituation bittet Bruder Schöpf alle, nach ihren Möglichkeiten zur Unterstützung des JRS und anderer Flüchtlingsorganisationen beizutragen. „Wichtig ist, dass wir den Geflüchteten weiterhin ins Gesicht sehen und ihnen sagen können: Eure Würde zählt nach wie vor.“
Um die unmittelbare Finanzierungslücke für die nächsten zwei Monate zu überbrücken, hat der JRS einen Notfall-Appell gestartet und hofft, damit als vorübergehende Lösung 1,5 bis 2 Millionen US-Dollar aufzubringen. Das internationale Hilfswerk jesuitenweltweit setzt sich dafür ein, die entstandenen Finanzierungslücken durch Spenden zu schließen.
- Weitere Informationen und die Möglichkeit zur Spende bietet die Webseite von jesuitenweltweit in Deutschland und Österreich
- Das ganze Interview mit Bruder Schöpf finden Sie auf Vatican News