• Glasfenster von Br. Michael Kampik SJ (1948 - 2016). © SJ-Bild/Richard Harlacher
  • Sternsinger beim Krippenspiel in St. Canisius Berlin. © SJ-Bild/Galecki
  • Stern aus Marmor unter der Kuppel in der Jesuitenkirche in Innsbruck. © SJ-Bild/Christian Ender
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Der Stern leuchtet

Von der seligen Reise des gottsuchenden Menschen

In einer Betrachtung zum heutigen Fest der Erscheinung des Herrn (6. Januar) hat Karl Rahner SJ den Weg zur Geburtskrippe als "selige Reise des gottsuchenden Menschen" beschrieben. Hier ein Auszug daraus:

Lasst auch uns auf die abenteuerliche Reise des Herzens zu Gott gehen! Lasst uns laufen! Lasst uns vergessen, was hinter uns liegt. Es ist noch alles Zukunft. Es sind noch alle Möglichkeiten des Lebens offen, weil wir Gott noch finden, noch mehr finden können. Nichts ist vorbei und dem verloren, der Gott entgegenläuft, dessen kleinste Wirklichkeit größer ist als unsere kühnsten Illusionen, dem Gott, der die ewige Jugend ist, in deren Land keine Resignation wohnt. Wir wandern durch die Wüsten.

Herz, verzage nicht über den Anblick des Pilgerzuges der Menschheit, der Menschen, die gebückt unter der Last ihrer verschwiegenen Qual weiterziehen, immer weiter, scheinbar alle in der gleichen Richtung, scheinbar alle in die gleiche Ziellosigkeit. Verzage nicht: der Stern ist da und leuchtet. Die heiligen Bücher sagen, wo der Erlöser zu finden ist. Die sehnsüchtige Unruhe treibt. Sag selbst: steht der Stern nicht still am Firmament deines Herzens? Er ist klein? Er ist fern? Aber er ist da. Er ist nur klein, weil du noch weit zu laufen hast! Er ist nur fern, weil deiner Großmut eine unendliche Reise zugetraut wird. Aber der Stern ist da! Auch die Sehnsucht nach Freiheit des inneren Menschen, nach Güte, nach Seligkeit, auch das Bedauern, ein schwacher, sündiger Mensch zu sein, ist ein Stern.

Warum schiebst du selbst die Wolken vor den Stern? Die Wolken der Verdrossenheit, der Enttäuschung, der Bitterkeit des Versagthabens, die Wolken höhnischer oder resignierter Worte über die ausgeträumten Träume seliger Hoffnung? Gib die Wehr auf: der Stern leuchtet! Ob du ihn zum Polarstern deiner Seefahrt machst oder nicht, er steht an deinem Himmel und auch dein Trotz und deine Schwachheit löschen ihn nicht aus. Warum sollen wir also nicht glauben und wandern? Warum sollten wir also nicht zum Stern am Firmament des Herzens aufblicken? Warum nicht dem Lichte nachgehen? Weil es Menschen wie die Schriftgelehrten in Jerusalem gibt, die den Weg nach Bethlehem wissen und ihn nicht gehen? Weil es Könige wie Herodes gibt, denen solche Kunde vom Messias nur eine Störung ihrer politischen Pläne ist, und auch heute noch dem Kinde nach dem Leben trachten? Weil die meisten mit der verdrossenen Lebensklugheit ihrer engen Herzen zu Haus sitzen bleiben und solche abenteuerliche Reisen des Herzens für Kindereien halten? Lassen wir sie und folgen wir dem Stern des Herzens!

Wie soll ich laufen? Das Herz muss sich bewegen! Das betende, das verlangende, das schüchtern, aber ehrlich in guten Werken sich übende Herz, das läuft, das wandert Gott entgegen, das Herz, das glaubt und sich nicht verbittern lässt, das Herz, das die Torheit der Güte für gescheiter hält als die Schlauheit des Egoismus, das Herz, das an die Güte Gottes glaubt, das Herz, das seine Schuld sich von Gott liebend vergeben lassen will (o das ist schwerer zu tun, als ihr vielleicht meint), das sich von Gott überfuhren lässt seines geheimen Unglaubens und das sich darüber nicht wundert, sondern Gott die Ehre gibt und bekennt, - ein solches Herz hat die abenteuerliche Reise der königlichen Herzen nach Gott angetreten.

Ein neues Jahr hat begonnen. Auch in diesem Jahr ziehen alle Wege vom Morgenland zum Abendland durch die Wüsten des Lebens endlos an Vergänglichkeit vorbei. Aber man kann auf ihnen die selige Reise der Pilgerschaft zum Absoluten machen, die Reise zu Gott. Brich auf, mein Herz, und wandre. Es leuchtet der Stern. Viel kannst du nicht mitnehmen auf den Weg. Und viel geht dir unterwegs verloren. Lass es fahren. Gold der Liebe, Weihrauch der Sehnsucht, Myrrhe der Schmerzen hast du ja bei dir. Er wird sie annehmen. Und wir werden finden.

Aus: Karl Rahner, Von der seligen Reise des gottsuchenden Menschen. Gedanken zum Fest der Erscheinung des Herrn, in: Geist und Leben 22 (1949) 405-409

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