„Schülerinnen und Schülern einen Raum bieten, in dem sie Erfahrungen machen, wachsen, Verantwortung übernehmen und entdecken können, wer sie selbst sind und wer Gott für sie ist.“ So beschreibt P. Dag Heinrichowski SJ die Aufgabe der KSJ Hamburg, kurz für „Katholische studierende Jugend“. Seit Sommer 2021 ist er als geistlicher Leiter für die KSJ tätig. Nun übergeben die Jesuiten die außerschulische Jugendarbeit wieder an das Erzbistum Hamburg. Im Interview erzählt Pater Heinrichowski von seinen Highlights in der Jugendarbeit und was er aus dieser Zeit für sich mitnimmt.
Pater Heinrichowski, was wurde und wird in der KSJ Hamburg geleistet?
Pater General Pedro Arrupe hat das Wort geprägt: „Menschen für andere werden.“ Das ist ein Leitmotiv für die Arbeit in der KSJ, denn es geht darum, dass die Jugendlichen an der Verantwortung wachsen können und merken, wie wichtig es ist, sich im Leben für andere Menschen einzusetzen.
Auch im Bereich Spiritualität und Glaube ist die KSJ ein Ort, um Sinn- und Glaubensfragen zu stellen und den Glauben zu erleben, zum Beispiel wenn in Sommerlagern gemeinsam Gottesdienste gefeiert werden. Viele Jugendliche wären in klassischen Gemeinden für diese Themen gar nicht ansprechbar.
In erster Linie sind sie es, die hier seit Generationen tolle Dinge auf die Beine stellen. Auch für uns als Orden wird der Abschied eine Lücke hinterlassen.
Haben sich die Schwerpunkte in der Jugendarbeit in den letzten Jahren verändert?
In der Jugendarbeit gibt es immer Wellenbewegungen und Veränderungen. Aber ein großer, wichtiger Bereich ist das Thema Schutzkonzepte, Präventionsarbeit und Kinderrechte. In der KSJ Hamburg wurde seit 2010 viel selbstkritisch hinterfragt: Welche Tradition haben wir? Wie gehen wir mit Grenzen um? Mein Vorgänger Björn Mrosko hat hier gute Arbeit geleistet, viel sensibilisiert und zusammen mit anderen überlegt, wie wir mit Kindern und Jugendlichen umgehen und was wir ihnen für einen Raum bieten wollen. Denn die KSJ soll ein guter Ort sein, wo sich junge Menschen wohlfühlen und sich in einem sicheren Rahmen bewegen.
Sich wohlfühlen – dafür braucht es entsprechende Angebote. Was bietet die KSJ den Jugendlichen?
Unter der Woche finden viele Gruppenstunden statt, in denen gespielt, gesprochen und etwas unternommen wird. Neben diesen regelmäßigen Treffen gibt es jedes Jahr die Sommerlager und seit einigen Jahren auch eine Fahrt nach Taizé. Ein Schwerpunkt meiner Arbeit ist auch die Arbeit mit den Leiterrunden als pädagogische Gremien. Für sie gibt es Fortbildungswochenenden, Schulungen und Reflexionen, die in der ignatianischen Pädagogik eine besondere Bedeutung haben. Die KSJ hält Räumlichkeiten offen, in denen Kinder und Jugendliche selbst überlegen können, was sie machen möchten: zum Beispiel nach der Schule eine Kleinigkeit kochen oder gemeinsam etwas spielen.
Was sind die Highlights im Programm?
Aus der Perspektive der Jugendlichen sind das die Sommerlager und gemeinsame Reisen. Aber dazu gehört genauso das Fleißgeschäft der Gruppenstunden, denn die Erfahrung zeigt: Wenn der Kontakt mit den Kindern und Jugendlichen während des Jahres größer ist, kommen im Sommer mehr mit und haben eine gute Zeit miteinander. Für mich persönlich war ein Highlight, nach Taizé zu fahren, denn ich kannte das vorher nur aus Erzählungen. Das war jedes Jahr für mich eine sehr schöne Woche.
Haben Sie solche Erlebnisse bei Ihrer Arbeit motiviert?
Mich hat motiviert, zu sehen, was die Jugendlichen auf die Beine stellen, wie sie mit Herzblut dabei sind und wie sie sich entwickeln. Wenn am Anfang eines Schuljahres die neue Leiterrunde startet, ist noch vieles ungewohnt. Man hat das Gefühl, das sind eigentlich noch Kinder. Im März sind wir mit ihnen im Frühjahrslager eine Woche gemeinsam unterwegs. Beim Reflexionswochenende im Anschluss daran merkt man, dass sie einen unglaublichen Sprung gemacht haben. Es motiviert mich, zu sehen, dass wir so einen Rahmen bieten, in dem Jugendliche Vertrauen erleben, Vertrauen geschenkt bekommen, Verantwortung übernehmen und so bereit sind, selbst zu wachsen. Wenn ich einen kleinen Beitrag dazu leisten kann, dass dieser Rahmen stimmt, dann ist das etwas sehr Motivierendes.
Werden Sie das vermissen?
Was ich vermissen werde, wird sich vermutlich erst zeigen. Ein Aspekt ist die Art der Arbeit: mit unterschiedlichen Teams und Gruppen und einer Vielfalt an Themen. Das hat mich angeregt, mitzudenken und mitzuarbeiten. Was ich sicherlich auch vermissen werde, sind diese Begegnungen zwischen Tür und Angel. Wenn ich in meinem Büro saß und die Tür offen stand, kamen einfach Jugendliche rein und erzählten. Das sind lebendige Begegnungen! Da ist was los, da sind Leute, die miteinander Freude haben.
Das hört sich auch ein wenig stressig an…
Natürlich war das auch manchmal anstrengend, aber es ist ein Privileg, so im Kontakt sein zu dürfen.
Was nehmen Sie aus Ihren Jahren in der KSJ Hamburg mit?
Was es bedeutet, selbst Verantwortung zu tragen und Leitung zu sein. Ich habe viel gelernt durch die KSJ und nehme viele Beziehungen und Gespräche mit, für die ich sehr dankbar bin. Durch die KSJ habe ich ein sehr positives Bild von Jugendlichen und jungen Menschen und das Gefühl, dass das eine Generation ist, die viel Power hat. Das sind junge Leute, die etwas gestalten möchten, die Energie haben und Fragen stellen.
Wie geht es nun mit der KSJ Hamburg weiter?
Die KSJ Hamburg war immer in der Trägerschaft des Bistums, daran wird sich nichts ändern. In den vergangenen eineinhalb Jahren gab es einen Prozess, um zu schauen, welche Strukturen für die KSJ zeitgemäß sind. Es ist ein Glück, dass das Erzbistum Hamburg die KSJ sehr schätzt und es wichtig findet, dass die Stelle für einen leitenden Referenten, eine leitende Referentin ausgeschrieben wird. Gerade läuft das Bewerbungsverfahren.
Das wird Veränderungen für die KSJ mit sich bringen.
Voraussichtlich wird sich nicht die Qualität der Begleitung verändern, aber die Quantität. Ich konnte zum Beispiel viele Wochenenden mitfahren und war auf vielen Sommerlagern dabei. Jemand, der angestellt ist, der nebenbei ein Familienleben führt und andere Prioritäten als ein Ordensmann hat, wird das nicht mehr abbilden können. Das war nur möglich durch unsere Lebensform der Verfügbarkeit, die wir Jesuiten haben.
Eine Frage wird sein, wie das Geistliche in der KSJ weiterhin einen guten Rahmen finden kann. Die Jugendlichen haben ein großes Interesse daran. Aber es gibt genauso Zurückhaltung, was selbstständiges Gottesdienstfeiern angeht. Man wird sehen: Wie kann man durch Gottesdienste die Jugendlichen ansprechen? Wie kann man eigene Formate entwickeln?
Wie geht es nun für Sie persönlich weiter?
Aktuell bin ich noch in Hamburg. Ich habe mich aus dem Tagesgeschäft mehr oder weniger zurückgezogen. Nach dem Abschied von uns Jesuiten und auch meinem persönlichen Abschied am 14. September geht es für mich am darauffolgenden Montag weiter. Wenn alles nach Plan läuft, werde ich auf mein Fahrrad steigen und Richtung Frankfurt fahren. In der Frankfurter Kommunität Sankt Georgen werde ich meine neue Bleibe aufschlagen und von dort aus an meiner Promotion in Pastoraltheologie arbeiten und ab dem Wintersemester als Spiritual im Priesterseminar tätig sein.
Interview: Eva-Maria Hartinger
Bericht der Neuen Kirchenzeitung des Erzbistums Hamburg: Das Privileg des Paters: Er hat immer Zeit.