• Schon im letzten Jahr wurde Martin Föhn SJ in Paris zum Diakon geweiht.
  • Gefährten auf gemeinsamem Fundament: Martin Föhn SJ im Gespräch mit seinem Mitbruder Valerio Ciriello SJ (r.).
  • Angekommen: Gelübdeablegung am Ende des Noviziats 2012 in Nürnberg.
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Aus Liebe zu Gott

Die Jesuiten waren ihm eigentlich immer eher suspekt und Theologie zu abstrakt. Dennoch ist Martin Föhn 2010 in die Gesellschaft Jesu eingetreten und hat dort seine lange Studienzeit abgeschlossen. Und obwohl er Fragen zur Kirche als System als berechtigt ansieht, wird er nun am 17. Oktober in Zürich die Priesterweihe empfangen. Darüber, was ihm Hoffnung gibt und welche wertvollen Schätze er Menschen vermitteln möchte, spricht er im Interview.

Nun sind Sie doch Jesuit geworden und stehen kurz vor der Priesterweihe. Wie kommt das?

Zu Kirche, Religionsunterricht, christlichen Gebräuchen hatte ich immer Zugang – vor allem zu Christus als Freund und Begleiter. Gebete gehören bei uns zuhause im Muotathal zum Alltag. Und ging ich morgens aus dem Haus, sagte meine Mutter: „Gang i Gottes Name.“ Prägend waren auch die Großeltern, die abends den Rosenkranz beteten; war ich da, betete ich mit. Als Jugendlicher stieß ich auf ein Buch mit Heiligen-Legenden: Dominikus, Franziskus, Antonius von Padua faszinierten mich. Zu Ignatius fand ich wenig Zugang – Gründer eines Ordens, der nicht einmal heißt wie er. Dass ich je in seinen Orden eintreten würde, konnte ich nicht ahnen.

Sie lernten zunächst Landwirt, um den elterlichen Hof zu übernehmen und...

...so fest war die Absicht nicht. (lacht)

Dann trat Ihr jüngerer Bruder an Ihre Stelle. War das eine Befreiung für Sie?

Ich war froh, dass mein Bruder Interesse an der Landwirtschaft hatte. Das Religiöse, das Spirituelle begleitet mich seit Kindheit. Ich hatte in der Lehre einen Kollegen, dessen Vater Pastor einer Freikirche war. Mit ihm redete ich oft und überlegte, mit seiner Organisation ins Ausland zu gehen. Bis mein Vater sagte: „Wenn du sowas machen willst, dann katholisch.“ Für diesen Rat bin ich ihm bis heute dankbar. So lernte ich Mitarbeiter der Immenseer Missionare kennen, die Sozialeinsätze im globalen Süden vermittelten und konnte vier Monate nach Peru.

Die Welt stand Ihnen offen. Warum entschieden Sie sich ausgerechnet für ein Ordensleben und das Priestertum?

Die Stelle im Glaubensbekenntnis geht mir nahe, wo es heißt: „Ich glaube an den einen Gott... der alles geschaffen hat... die sichtbare und die unsichtbare Welt.“ Diesen Gott liebe ich, und die unsichtbare, spirituelle, geistliche Welt fasziniert mich. Alles Geschaffene hat eine materielle und eine spirituelle Seite. Spiritualität ist die Wahrnehmung von Beziehungsgeflechten in ihren Tiefen. So geht es im Geistlichen darum, wie man mit sich selbst, den anderen, der Umwelt und mit Gott in Beziehung treten kann. Es klingt vielleicht paradox, aber gerade der zölibatäre Priester befasst sich in umfassender Weise mit Beziehungen. Er ermutigt, tröstet, baut auf, denkt nach, vernetzt, versöhnt – darum dreht sich mein Leben, darum geht es im Orden, den ich gewählt habe.

Die Jesuiten lernten Sie eher zufällig kennen: Sie besuchten einen Exerzitien-Kurs im Lassalle-Haus und kamen auf den Geschmack. Wie denn?

Ich wollte immer mal Exerzitien machen. Ferien standen an und ich buchte kurz-entschlossen einen Kurs, der außer den Begleitgesprächen im Schweigen stattfand. Das gefiel mir. Ebenso die Atmosphäre, geprägt von der gelebten Spiritualität und Gemeinschaft der Handvoll Jesuiten im Haus. Ich erlebte, wie sie einerseits mitten im Leben stehen, sich mit ihren Gästen über Gott und die Welt auseinandersetzen und andererseits tiefe Verinnerlichung suchen. Es war Frühjahr 2009. Die Entscheidung reifte heran. Am Weihnachtsessen mit der Familie sagte ich: „Ich probier‘s mal. Wenn‘s nicht geht, bin ich nach zwei Jahren zurück.“ Im Herbst 2010 trat ich in Nürnberg ins Jesuiten-Noviziat ein.

Nach dem Noviziat legten Sie 2012 die Gelübde ab. „Ich setze einen Punkt hinter allem, was ich bisher gemacht habe“, sagten Sie und verschenkten Ihr Vermögen. War das schwer?

Überhaupt nicht. Ich spürte schon in der ersten Woche im Noviziat: Ich war angekommen. Ich weiß noch, wie ich mit anderen zusammensaß und mir aufging: „Ich denke ja gar nicht mehr an eine Weltreise“ – lange ein sehnlicher Wunsch. Die Suche nach Heimat war zu Ende. Ich setzte einen Punkt, begann einen neuen Absatz. Auch wenn ich weiterhin unterwegs bin, räumlich und innerlich: Ich habe meinen Ort in der Gesellschaft gefunden.

Was macht die Gesellschaft Jesu zu Ihrer Heimat?

Der Orden ist nicht dasselbe wie eine Familie. Er besteht auch nicht aus Freunden und Kollegen, die ich mir ausgesucht habe – wir sind Mitbrüder auf einem gemeinsamen Fundament und Freunde und Gefährten von Christus. Auf ihn und sein Projekt der Gerechtigkeit, des Friedens, der Freude sind wir ausgerichtet. Wo immer ich auf der Welt eine Jesuiten-Kommunität antreffe, gibt es dieses gemeinsame Vorangehen von der ersten Begegnung an. Das verbindet und gibt Rückhalt. Das gefällt mir sehr.

Sie haben schon ein rechtes Wegstück hinter sich, studierten in München Theologie, in Paris Philosophie, waren in Zürich Hochschulseelsorger, engagierten sich in den Sommern in Sozialprojekten. Vor kurzem erlangten Sie zudem das Diplom zum Mediator. Warum diese Zusatzausbildung?

Mediation fasziniert mich. Sie bietet Raum, zu zweit oder in einer Gruppe, um den Weg zueinander zu finden. Mediation ist Austragen von Differenzen, ist Versöhnungsarbeit. Ich war lange ein harmoniebedürftiger Mensch und musste doch immer wieder Streit ertragen. Irgendwann habe ich Streitkultur als positiv und be-fruchtend erlebt. Bleibt diese Kultur aus, kann das verheerende Folgen haben.

Künftig kümmern Sie sich um Studierende in Basel und Menschen in den Stadtpfarreien. Durften Sie wählen?

Nein. Wir werden gesandt. Aber ich durfte mich im Entscheidungsprozess einbringen. Die Aufgabe in Basel war denn auch eine meiner persönlichen Optionen.

Im Oktober steht Ihre Priesterweihe an. Priester haben es nicht einfach im heutigen Kontext. Mussten Sie Ihre Wahl oft verteidigen?

Nicht direkt vor anderen, aber vor mir selbst. Die Kirche ist heute dermaßen unter Beschuss, in vielen Bereichen zu Recht, dass ich mir Rechenschaft ablegen musste: Will ich, kann ich diese Kirche, dieses System als künftiges Mitglied des Klerus unterstützen? Das wird nicht immer einfach sein, ich habe aber Hoffnung.

Worin besteht Ihre Hoffnung?

Die Kirche verfügt über ein reiches Instrumentarium an Hinweisen zur Lebensführung, geistlichen Übungen, Werten, Ritualen und Liturgien. Und es betrübt mich, dass wir es nicht schaffen, dies besser rüberzubringen. Das liegt aber nicht nur an der Kirche. Für eine Gesellschaft, die mehrheitlich konsum- und lustorientiert ist, bietet die Kirche eine Projektionsfläche für vieles. Mir geht es um die Tiefe in all ihren Dimensionen unseres Menschseins. Mein Ziel ist es, Menschen zu helfen, hier in eine größere Fülle zu kommen.

„Wo wohnst Du? – Kommt und seht!“, ein Zitat aus dem Johannes-Evangelium, steht auf der Einladungskarte zur Priesterweihe. Wohin wollen Sie uns mitnehmen?

In die unsichtbare, tiefe und erfüllende Welt der Beziehungen mit Gott und der Welt. Christus ist mit uns unterwegs, „Kommt und seht“, ruft er uns zu. Wenn es uns gelingt, die Brücke von der sichtbaren zur unsichtbaren Welt zu überschreiten, können wir die wertvollen Schätze unseres Glaubens, unserer Kirche entdecken, auch unsere Verletzlichkeit zulassen, damit sie geheilt werden kann. In der Tiefe erkennen wir das Fundament, auf dem wir stehen. Ist dieses Fundament fest und gut, können wir ganz uns selbst sein und gleichzeitig für andere da sein.

Interview: Pia Seiler

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