1. Adventssonntag: Im Gebet die Hoffnung nicht verlieren

Die zweite Welle ist angekommen und Corona hat uns wieder im Griff. Das Leben geht weiter, wenn auch mit zahlreichen Einschränkungen. Am heutigen 1. Adventssonntag möchte ich Sie deshalb ermutigen: Geben Sie die Hoffnung nie auf!

Ich gebe zu: Als der Präsident Frankreichs anfangs November neuerlichen Lockdown verkündete, hätte ich mich am liebsten dem Winterschlaf der Murmelis angeschlossen. Augen zu und erst wieder aufwachen, wenn alles vorbei ist. Das könnte unter Umständen aber recht lange dauern: die Spanische Grippe ist erst 1920 abgeklungen, anderthalb Jahre nach dem Ausbruch der Krankheit…

Vielleicht braucht es also eine andere Strategie. An unserer ersten Kommunitätsversammlung im Corona-konformen Stil mit Maske hat ein Mitbruder angekündigt, von nun an in jedem Lockdown eine andere Serie von Bach-Orgelkonzerten einzuüben. Das scheint mir eine gute Idee zu sein: die gewonnene Zeit gewinnbringend nutzen. Was kann ich also tun?

Bald war mir klar, dass ich in mir die Hoffnung stärken wollte. Einfach eine weitere Tätigkeit auf mich nehmen, würde mich eher entmutigen, denn Arbeit habe ich schon genug. Deshalb habe ich mich für zwei Dinge entschieden: das eine ist ein Buch von Paul Beauchamp, einem französischen Mitbruder: Ich rufe zu dir bei Tag und bei Nacht. Die Psalmen als Gebete der Christen. Eine wunderbare Hinführung zu den Psalmen, auch als Quelle menschlichen Erlebens in Freud und Leid.

Das andere ist das Gebet. Wir Jesuiten beten jeden Tag und pflegen so unsere Beziehung zu Gott. Das Gebet ist also zuallerst ein Öffnen. Wir öffnen uns vor Gott und vor uns selber, aber auch vor unseren Mitmenschen, wenn wir sie im Herz dabei mittragen. Warum also nicht die Adventszeit zum Beten nutzen?

Wie? Jedes Beten beginnt mit einem Schweigen, einem Moment der Stille, einem Innehalten im Alltag. Wir nehmen uns Zeit und lassen uns Zeit. Konkret kann das mit dem Anzünden einer Kerze oder einem Kreuzzeichen beginnen. Wo? An einem Ort in unserem Zimmer, in der Wohnung oder im Haus, an dem wir uns wohlfühlen und wo wir bequem sitzen, stehen oder liegen können – der Heilige Ignatius sagte, dass wir die Körperhaltung wählen sollen, die uns am meisten zum Beten hilft.

Mit welchem Text sollen wir beten? Was uns den Einstieg am leichtesten macht. Eine Möglichkeit ist die Tageslesung oder das Tagesevangelium. Andere schlagen die Bibel auf und schauen, wo sie gerade landen. Gerade die Psalmen bieten viele Möglichkeiten, weil sie seit über 2500 Jahren aus dem Alltag der Menschen erzählen. Oder vielleicht ein Gedicht, das uns zum Nachdenken anregt. Als eine Art roter Faden habe ich am Ende dieses Artikels einen klassischen Ablauf angehängt, der sich gut bewährt hat.

Eine weitere und altbewährte Möglichkeit ist der Rosenkranz, den es sich wiederzuentdecken lohnt. Es ist eine schöne Form des Betens, alleine oder zusammen mit anderen. Die Worte und der Ablauf sind vorgegeben, nichts muss neu erfunden werden. Und natürlich gibt es auch die Möglichkeit, einfach in die Stille zu gehen. Nur auf den eigenen Atem achten und versuchen, ganz da zu sein und die Gedanken, die sonst in unserem Kopf kreisen, auf die Seite zu legen. Überhaupt ist es gut, vom Kopf weg und zum Herz hin zu gehen. Nicht eine philologische Betrachtung ist gefragt, sondern ein Innehalten und sich Ansprechen lassen durch Gottes Wort und den Bildern, die es in uns auslöst.

Eine letzte Form ist der Tagesrückblick, auch Gebet der liebenden Aufmerksamkeit genannt. Dazu reichen schon fünf Minuten vor dem Einschlafen und besteht aus drei Worten: Danke! Entschuldigung! Bitte! Wofür kann ich Gott heute danken? Was lief heute nicht so toll, wofür möchte ich mich entschuldigen? Was möchte ich für morgen anders machen und bitte Gott dafür um seine Hilfe?

Welche Art des Betens wir wählen, hängt sehr von uns ab. Je nachdem ist die eine Form hilfreicher als die andere. Es lohnt sich aber, einige Tage bei der einen Form zu bleiben, denn wir brauchen Zeit, um uns ins Gebet einzuleben und gut anzukommen. Wichtig ist aber immer, dass wir am Schluss des Gebets mit Gott ins Gespräch kommen. So können wir in Worte fassen, was uns während des Gebets an Gedanken, Gefühlen und Bildern begegnet ist. Wem das zu schwierig erscheint, stelle sich vor, dass wir mit Gott wie mit einem guten Freund reden können. Wir sagen, was uns beschäftigt und versuchen, zuzuhören, was Gott uns als Freund sagen will. In dieses Gespräch können wir auch unsere Familie, Freunde und Mitmenschen einschliessen.

Ein Wort noch zur Effizienz des Gebetes. Wie mein Mitbruder Pascal Meyer richtig sagt, der Rosenkranz kann den Coronavirus nicht vertreiben. Das Gebt ist kein Wundermittel und auch kein Ersatz der Maske oder der medizinischen Versorgung. Aber es erinnert uns, dass wir im Gebet nicht allein sind, sondern verbunden mit Menschen auf der ganzen Welt.

Wenn wir uns vor Gott, vor uns selber und den Mitmenschen unsere Ängste und Wünsche eingestehen können, dann besteht die Hoffnung, dass wir das Leben unter Coronabedingungen erträglicher gestalten können, im Kleinen wie im Grossen. Der Advent bereitet uns auf unsere grösste Hoffnung vor: die Geburt unseres Heilands. Als einfacher Mensch kommt uns Gott entgegen und begegnet uns in seiner Liebe. Und er lädt uns ein, diese Liebe weiterzugeben, auch im Gebet. Bitte Beten Sie mit.

Struktur der Betrachtung

  1. Sich in Gottes Gegenwart stellen
  2. Sich einrichten, Köperhaltung und Atem Körperhaltung
  3. Das Vorbereitungsgebet
  4. Sich die biblische Szene vorstellen
  5. Ausdrücken, wonach ich mich im Dialog mit dem Schriftwort spontan sehne
  6. Mit dem Bibeltext ins Gespräch kommen.
  7. Dies einmünden lassen in den Dialog mit Jesus, mit Gott. 
  8. Reflexion: Kurz zurückblicken, was hat sich ereignet?

Bild: pray as you go

Weiterführende Links: 

Pray As You Go, zu gut Deutsch Gebet für unterwegs, ist eine täglich angeleitete Meditation mit Musik, gesprochenen Worten und Fragen zum Nachdenken von 10-13 Minuten, initiert von britischen Jesuiten auf Englisch, mittlerweile auch auf Französisch, Spanisch und Niederländisch: pray as you go

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